Das silberne Zeichen (German Edition)
holen.»
«Wozu?» Christoph zuckte mit den Schultern. «Der Dieb ist schon längst über alle Berge.»
«Ich schicke Euch die Magd, dass sie Euch beim Aufräumen hilft.»
«Nein, lasst nur, das schaffe ich schon allein. Aber sobald Euer Mann wieder hier ist, will ich mit ihm sprechen.»
«Ja, natürlich, ich lasse ihn holen.»
Unter wiederholten Entschuldigungen entfernte sich die Wirtsfrau. Er hörte sie die Treppe hinabpoltern und nach ihrem Knecht schreien. Achselzuckend begann Christoph, die Kleider einzusammeln und auf dem Bett aufzuhäufen. Dann klaubte er das Werkzeug auf, hielt aber mitten in der Bewegung inne, als ihm bewusstwurde, dass eines seiner Gepäckstücke fehlte.
Hastig blickte er sich noch einmal um, sah unter das Bett, schob die Holzkiste zur Seite und warf den Kleiderberg wieder zu Boden. Die Tasche aus Hirschleder blieb verschwunden.
Wie betäubt ließ sich Christoph auf den Rand des Bettes sinken. Ruhig Blut, mahnte er sich. Vielleicht hatte er die Tasche bloß übersehen. Entschlossen rappelte er sich wieder auf und begann, die Kleider und seine Habseligkeiten ordentlich in die Bündel zu schnüren. Das Werkzeug legte er in die Kiste zurück, ebenso die hübsch verzierten Zinnbecher. Er knirschte mit den Zähnen. Ein gemeiner Dieb hätte diese Trinkbecher nicht einfach liegenlassen. Bei einem Hehler hätten sie einen guten Preis erzielt.
Aber was, in drei Teufels Namen, wollte jemand mit den Urkunden und Briefen? Oder hatte der Einbrecher die Tasche vielleicht nur zufällig mitgenommen?
Wieder setzte sich Christoph auf die Bettkante und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Es war gleich, ob es sich um einen Zufall handelte oder nicht. Die Schriftstücke waren weg. Seine Reise nach Frankfurt war umsonst gewesen.
Gereizt sah sich Christoph in der Kammer um. Die Tasche hatte auch zwei Wechsel über hohe Beträge enthalten. Doch damit würde der Dieb nichts anfangen können, denn die Männer, die die Wechsel einlösen konnten, würden dies ausschließlich für ihn – Christoph Schreinemaker – tun. Wenn jemand Fremdes versuchte, die Wechsel einzutauschen, würde er davon erfahren.
Wer konnte ein Interesse daran haben, die Urkunden zu stehlen? Außer Marysa und ihren Eltern wusste niemand davon. Oder doch? Christoph dachte an die Knechte und Mägde in beiden Haushalten, verwarf diesen Gedanken jedoch gleich wieder. Selbst wenn einer von ihnen sie am Mittag belauscht hätte, wäre es ihm – oder ihr – nicht möglich gewesen, in der kurzen Zeit aus dem Haus zu schlüpfen und hier einzubrechen. Ganz abgesehen davon, dass keiner vom Gesinde lesen konnte und auch gar nicht gewusst hätte, wo er nach den Urkunden suchen musste.
Wer also sonst?
Während sich Christoph noch den Kopf über diese Frage zerbrach, hörte er von unten laute Stimmen heraufschallen. Eine davon gehörte Hartwig Schrenger.
Mit einem ergebenen Blick zur Decke erhob sich Christoph und öffnete die Tür in dem Augenblick, da Hartwig Anstalten machte, mit geballter Faust dagegen zu pochen.
«Was …?» Im ersten Moment blickte Marysas Vetter Christoph verwirrt an, dann fing er sich wieder und schoss an ihm vorbei in die Kammer.
«Ihr seid der Schreinemaker, ja?», bellte er und musterte Christoph aus zu schmalen Schlitzen verengten Augen. Dann stutzte er. Zornesröte schoss ihm ins Gesicht. «Das ist ja …! Ich sehe wohl nicht richtig? Ihr seid doch dieser neunmalkluge Pfaffe! Wie war nochmal Euer Name? Bruder Christophorus! Von wegen Christoph Schreinemaker.» Hartwigs Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. «Sieh mal an. Darauf hätte ich ja gleich kommen können. Ihr habt Euch also in der Maske des frommen Mönchleins bei Marysa eingeschmeichelt, und jetzt glaubt Ihr, Euch ins gemachte Nest setzen zu können.» Er schnaufte. «Für wie dumm haltet Ihr mich eigentlich? Wollt Ihr tatsächlich ganz Aachen mit diesem Possenspiel narren? Ihr seid ja des Teufels! Ich bringe Euch vors Gericht!»
«Mäßigt Euch, Meister Schrenger», antwortete Christoph kühl. «Ich kann verstehen, dass Ihr aufgebracht seid.»
«Betrüger!» Hartwig packte Christoph beim Wams und schüttelte ihn.
Hart stieß Christoph ihn vor die Brust, sodass Hartwig zwei Schritte rückwärtstaumelte. «Haltet ein, habe ich gesagt!»
«Ihr verfluchter …» Hartwig kam nicht dazu, sich noch einmal auf Christoph zu stürzen, da dieser ihn mit einem raschen Griff packte und gegen das Bettgestell stieß.
Hartwig stieß einen Schmerzenslaut
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