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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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werden könnten.» Er legte den Kopf auf die Seite. «Nun, was sagt Ihr? Ist das ein Angebot, das Ihr in Betracht ziehen würdet? Es wäre eine gute Einnahmequelle für Euch wie für uns. Es dürfte Euch auch für die Verschiebung der anderen Aufträge zumindest teilweise entschädigen.»
    «Ein außerordentliches Angebot, das Ihr mir da unterbreitet», antwortete Marysa vorsichtig. «Aber müsstet Ihr es nicht der Zunft vortragen, damit dort darüber entschieden wird, wer dafür in Frage kommt?»
    Van Oenne kräuselte die Lippen. «Wenn ich dieses Angebot der Zunft abgebe, würdet ganz sicher nicht Ihr es sein, die den Auftrag erhält, Frau Marysa. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde Euer Vetter ihn sich einverleiben. Auch wenn ich sehr genau weiß, dass er am kommenden Samstag wahrscheinlich zum Vorsteher der Zunft gewählt werden wird, besitzt er nicht mein Wohlwollen. Ich weiß um die Ungeheuerlichkeiten, mit denen er vergangenes Jahr versucht hat, Euch den Auftrag über die Reliquienschränke abspenstig zu machen. Verzeiht mir, wenn ich in Eurer Gegenwart so wenig freundlich von Eurem Verwandten spreche, aber ich halte ihn für einen selbstgerechten Schwätzer. Er ist zwar kein schlechter Schreinbauer, sein Können wird jedoch von dem Eurer Gesellen und – ich muss es noch einmal wiederholen – dem Eures zukünftigen Gatten weit übertroffen.»
    Marysa schluckte und bemühte sich standhaft, das Zucken um ihre Mundwinkel zu unterdrücken. Ja, eindeutig, sie mochte Rochus van Oenne. «Ich möchte Euch ungern widersprechen», sagte sie. «Also danke ich Euch stattdessen für das Vertrauen, das Ihr mir, oder besser meiner Werkstatt, entgegenbringt. Es wäre uns eine Ehre, die Reliquiare für Eure Silberzeichen anzufertigen.»
    «Sehr schön, anderes hatte ich auch nicht von Euch erwartet», rief van Oenne erfreut und erhob sich. «Ich schicke in den nächsten Tagen einen unserer Schreiber, damit er Euch genaue Zahlen nennen und unsere Wünsche in Bezug auf die Amulette unterbreiten kann. Sobald Ihr Euch mit ihm geeinigt habt, wird der Vertrag aufgesetzt. Eines darf ich Euch schon jetzt versprechen – dieser Auftrag soll Euer Schaden nicht sein, Frau Marysa.»

2. KAPITEL
    Wieder und wieder strich er über das zerknitterte Schriftstück und las die Worte, die in schwarzer Tinte und in gleichmäßigen Lettern darauf geschrieben standen. Eine solch kunstfertige Handschrift lernte man nicht bei weltlichen Lehrmeistern, ja nicht einmal in den gemeinen Lateinschulen. Nein, der Schreiber hatte ganz sicher eine Klosterschule besucht. Und das hatte seinen Argwohn geweckt. Es war reiner Zufall gewesen, dass er dem Boten begegnet war, und ein noch größerer Zufall, dass dieser ihm beim gemeinsamen Mahl in einer Schenke in Kornelimünster von dem Brief erzählt hatte, den er der Schreinbauerwitwe Marysa Markwardt aushändigen sollte.
    Glaubhaft hatte er dem Burschen daraufhin versichert, dass dieser sich den Weg nach Aachen hinein sparen konnte. Er selbst würde den Brief mitnehmen und ihn ihr überreichen, denn ihr Haus sei ohnehin sein Ziel.
    Der Bursche war höchst erfreut und dankbar gewesen, denn so konnte er sich gleich wieder auf den Rückweg machen und hatte Zeit für einen kleinen Umweg zu seinem Liebchen.
    Den Brief hatte er natürlich nicht überbracht. Einen solchen Dienst hatte Marysa Markwardt mitnichten verdient. Sollte sie doch glauben, ihr Bräutigam sei auf und davon oder – besser noch – es sei ihm etwas zugestoßen.
    Sorgsam faltete er das Schriftstück wieder zusammen und schob es unter sein Wams. Auch wenn nichts an den Worten, die Christoph Schreinemaker an Marysa gerichtet hatte, irgendwie verdächtig schien, hatte er das Spiel der beiden längst durchschaut. Unsägliches hatten sie vor, da war er sich ganz sicher. Einen Betrug vor Gott wie vor den Menschen. Eine Untat, die er nicht würde dulden können – aus verschiedenen Gründen.

3. KAPITEL
    «Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Marysa?», fragte Bardolf Goldschläger seine Stieftochter beim gemeinsamen Abendessen einige Tage später. «In wenigen Monaten wird deine Werkstatt von der Zunft geschlossen, sollte Christoph sich nicht allmählich wieder in Aachen einfinden. Und ehrlich gesagt, hege ich so langsam Zweifel daran.»
    «Er wird zurückkehren», wiederholte Marysa beinahe gebetsmühlenartig, wie sie es auch ihrer Mutter gegenüber immer wieder getan hatte. «Es dauert eben nur etwas länger. Vielleicht gab es Probleme

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