Das silberne Zeichen (German Edition)
irritiert den Kopf. «Was führt Ihr im Schilde, Bruder Jacobus? Wem seid Ihr auf der Spur?»
«Das weiß ich nicht», gab der Dominikaner zu. «Bisher konnte er mir immer wieder entgleiten. Aber eines ist gewiss: Er ist gefährlich. Und wenn sich mein Verdacht bestätigt, hat er in diesem Augenblick Eure Verlobte in seiner Gewalt.»
Christoph schloss bei diesen Worten entsetzt die Augen und ballte seine Hände erneut.
Jacobus stieß ihn unsanft an. «Meister Schreinemaker, hört mir zu! Ich will Euch helfen. So grausam es klingt, Marysas Verschwinden verschafft uns ein wenig Zeit. Und mit etwas Glück kann ich die Schöffen jetzt endlich davon überzeugen, dass Ihr beide einem Komplott zum Opfer gefallen seid. Falls nicht …» Er winkte ab. «Sicherheitshalber will ich, dass Ihr in den Gewahrsam des Marienstifts kommt. Im Stiftsgefängnis seid Ihr sicher.»
«Sicher?»
«Dort droht Euch zumindest nicht die Todesstrafe.»
Christoph blickte den Dominikaner zweifelnd an. «Ich dachte, ich sei wegen Ketzerei angeklagt. Das Kirchengericht müsste mich deshalb der weltlichen Gerichtsbarkeit übergeben.»
«Dazu wird es nicht kommen, wenn ich es verhindern kann», erwiderte Jacobus. «Da aber die Schöffen mit einer Verlegung in unser Verlies nicht einverstanden sein werden, gibt es nur eine Möglichkeit.»
«Und die wäre?»
«Ihr müsst fliehen.»
«Wie bitte?»
Jacobus trat wieder einen Schritt näher und senkte die Stimme. «Ihr werdet noch heute aus dem Grashaus fliehen, Christoph Schreinemaker. Wie, das werde ich Euch sogleich erklären.»
Misstrauisch legte Christoph den Kopf zur Seite. «Warum wollt Ihr das tun?»
«Das werdet Ihr alsbald erfahren. Ich habe eine Schuld zu begleichen, und das kann ich nur, wenn Ihr frei und am Leben seid. Nun hört mir gut zu.»
***
Im Versammlungssaal der Schöffen in der Acht herrschte ein lautes Stimmengewirr, bis Reimar van Eupen ungeduldig auf die Platte des großen Tisches klopfte. «Ich bitte die Herren Schöffen um Ruhe!»
Es wurde still.
Van Eupen nickte dankbar und wandte sich dann an van Oenne, der der Versammlung heute beiwohnte. «Wie Ihr seht, steht der größte Teil der Schöffen Eurer Bitte ablehnend gegenüber. Es kommt nicht in Frage, den Gefangenen in das Stiftsgefängnis zu übergeben. Sowohl das Recht als auch die Pflicht des weltlichen Gerichts ist es, den Prozess gegen Christoph Schreinemaker zu führen. Ihr selbst habt dem zugestimmt, wenn ich Euch daran erinnern darf.»
«Zu jenem Zeitpunkt fehlten mir noch einige Informationen, die mich inzwischen erreicht haben», wandte van Oenne ein. «Und selbst Ihr müsst zugeben, dass das Verschwinden von Marysa Markwardt ein neues Licht auf die Angelegenheit wirft.»
«Woher wollt Ihr überhaupt wissen, dass sie verschwunden ist?», mischte Wolter Volmer sich ein. «Sie ist gerade mal ein paar Stunden fort. Vielleicht ist sie nur bei einer Freundin und taucht bald wieder auf.»
Der Domherr warf ihm einen strafenden Blick zu. «Glaubt Ihr das wirklich, Meister Volmer?»
«Es ist zumindest nicht ausgeschlossen.»
«Die einzige Freundin, zu der Frau Marysa regelmäßigen Kontakt hat, ist ihre Schwägerin Veronika, die Frau des Schneiders Einhard Yevels. Doch Yevels ist mit seiner gesamten Familie seit Wochen nicht in der Stadt. Sie sind auf Verwandtenbesuch in Köln.»
«Dann gibt es eben eine andere …»
«Hört auf mit diesem Unsinn!», unterbrach van Oenne den Schöffen. «Marysa Markwardt ist verschwunden, und es steht zu befürchten, dass jemand sie entführt hat.»
«Sagtet Ihr nicht, dass auch ihre Magd fort sei?», fragte van Eupen. «Kann es nicht sein, dass die beiden Frauen gemeinsam ausgegangen sind?»
Van Oenne schwieg einen Moment, bevor er antwortete: «Das ist der einzige Punkt, der auch mir Kopfzerbrechen bereitet. Beide Frauen scheinen zeitgleich verschunden zu sein.»
«Wenn sie tatsächlich, wie Ihr behauptet, entführt wurde», griff Volmer den Faden wieder auf. «Wer sollte das getan haben? Ist es nicht vielmehr möglich, dass sie geflohen ist?»
«Geflohen?» Irritiert wandte sich van Oenne ihm zu. «Wovor sollte sie fliehen?»
Volmer schnaubte spöttisch. «Das ist doch offensichtlich. Ihr Verlobter sitzt unter Anklage der Ketzerei im Grashaus. Es wurden gefälschte Silberzeichen in die bei ihr in Auftrag gegebenen Amulette eingebaut. Wenn Ihr mich fragt, ist ihr die Luft einfach zu dünn geworden, und sie hat es vorgezogen, heimlich die Stadt zu verlassen, bevor
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