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Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Sängerin, die vom Leben singt und von der Liebe.« Sie drehte sich nach Trudi um. »Oder ist da auch noch nichts aus Ihnen geworden?«
    »Doch«, sagte Trudi und kam zum Klavier. Sie stellte sich neben die Weil und sah auf ihre schwarzgefärbten Haare, die sich in der Mitte scheitelten und die angestrengte Kopfhaut bloßlegten.
    »Lassen Sie uns erst mal atmen.«
    Trudi legte die Hand auf den Bauch.
    »Höher die Hand. Sie stehen da, als hätten Sie schon den Balg im Bauch.« Cilly Weil schlug ein Cis an. »Wußten Sie, daß diese Bälger sich wehren, wenn sie weggemacht werden sollen?« Die Weil lachte. »Sie klammern sich an der Gebärmutterwand fest.«
    Trudi war zusammengezuckt. Doch sie sagte nichts.
    »Ich hoffe, Sie sind nicht sentimental. Die Leute glauben immer, man müßte sentimental sein, um diese Lieder zu singen.«
    Trudi dachte an den Brief ihres Vaters und hätte fast wieder angefangen zu weinen.
    »Singen Sie«, sagte Cilly Weil leise und schlug das Cis an. Trudi sang das Cis.
    Georg träumte in dieser Nacht von Tüten. Tüten, in denen Trudi ihr Leben transportierte und allmählich aus dem Haus trug. Er stand im Flur und versuchte sie aufzuhalten. Doch Trudi hielt ihm die Tüten entgegen, und Georg sah, daß es sich in ihnen bewegte, und griff danach. Trudi zog sie zurück und ging an ihm vorbei, und er konnte nichts Näheres mehr erkennen.
    Georg fuhr aus dem Schlaf hoch und drehte sich zu Trudi um, die mit dem Kopf unter dem Kissen lag und leicht schnarchte. Er tastete nach der Brille und schob dabei die Armbanduhr vom Nachttisch. Kaum ein Geräusch, als sie auf den Boden fiel und er nach ihr angelte. Doch Trudi bewegte sich und wurde unruhig.
    Vier Uhr, und kein Streifen Helligkeit am Himmel. Georg glaubte schon den Herbst zu spüren und darin etwas, das über die Stimmung des Herbstes hinausging und ihm viel größere Angst machte als die Ahnung von Vergänglichkeit. Vielleicht war es doch nur die frühe Stunde. Um vier Uhr morgens lagen die Seelen offen.
    Die Tüten. Trudi hatte zwei in der Hand gehalten, als sie am Abend zur Tür hereingekommen war. Verschwunden waren sie. Lagen vermutlich im Schrank, und das Leben in ihnen erstickte. Georg hob den Kopf und zog die Luft tief ein und dachte, den Tod zu riechen. Er hatte den Übergang von Traum zu Tag noch nicht geschafft. Und doch. Er roch den Tod. Den ganzen Abend hatte er ihn gerochen. Auf dem Foto der Kleinen in Warschau, die an einer Hauswand des Gettos lehnte. Jos hatte recht. Das Singende Kind trieb ihn in den Wahnsinn.
    Die Tüten im Traum hatten anders ausgesehen als die Tüten von gestern abend. Hochschwangere Bäuche. Georg schüttelte sich, um den Gedanken abzuschütteln. Er sah Trudi an, die jetzt auf der Seite lag und das Kissen im Arm hielt. Georg setzte sich auf und stieg aus dem Bett. Trudi schlief fest.
    Der Schrank. Er würde in Trudis Schrank schauen. Georg dachte an die weiße Tüte, die am Tag des Herzanfalls da gelegen hatte und ihm erschienen war wie das zweite Gesicht.
    Georg schlich auf den Schrank zu. Schlich über die Wäsche, die Trudi auf dem Teppich abgelegt hatte, und verfing sich mit einem Fuß im schmalen Träger eines Hemdes. Georg fiel gegen den Schrank, und die eine Tür öffnete sich, ehe er den Schlüssel angefaßt hatte. Öffnete sich mit einem knarzenden Ton, der Trudi weckte.
    »Guck dir den Sommer an«, sagte Georg, »er liegt in den letzten Zügen. Das Licht hat mittags schon eine Milchhaut.«
    »Das sind die Gespenster, die du siehst«, sagte Jos, »es ist der schönste August, und du solltest dich mehr um ihn kümmern.«
    Georg schüttelte den Kopf. Er stand an das offene Fenster gelehnt und schaute zu der Frau hinüber, die sich in ihrem Fenster zu schaffen machte. »Sie muß mal mit einem Marionettentheater gearbeitet haben, ständig zieht sie an den Vorhängen.«
    »Du stehst vermutlich unter Beobachtung. Trudis Liebhaber hat sie als Spionin angeheuert, um sicher sein zu können, daß du brav an deinem Schreibtisch bleibst.«
    »Ich lach mich tot«, sagte Georg.
    »Ich hole gleich meinen Scheck ab. Du kommst mit, und ich lade dich anschließend zu einem Freiluftspektakel ein.«
    »Er hat das Bild gekauft?«
    »Ja«, sagte Jos, »die nackte Goldie.«
    »Und was für ein Freiluftspektakel?«
    »Ich dachte an einen Italiener, der ein paar Tische an die Hauswand gedrängt hat und da seine Lasagne serviert.«
    »Wenn, dann nehme ich Trudi mit. Ich will was wiedergutmachen.« Georg sah zu Jos, der

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