Das Skript
den talentierten Christoph Jahn anstimmen würde, und war überrascht, als sie sich wand und nicht so recht mit einer Antwort herausrücken wollte. »Frau Hansen? Nun sagen Sie schon. Hat es Ihnen gefallen?«
»Na ja, es ist noch ein Rohentwurf sozusagen, aber … wenn ich ehrlich sein soll, ist es nicht so gut wie seine anderen Bücher. Also bisher. Das kann sich natürlich noch ändern, und wenn er es am Ende noch mal überarbeitet, wird es bestimmt besser.«
»Und woran liegt das?«, hakte Matthiessen nach. »Was gefällt Ihnen daran nicht?«
»Ich weiß nicht. Es ist ein bisschen … na ja … es wird so viel erklärt und beschrieben, aber es passiert nicht viel. Es ist … nicht spannend.« Sie hielt einen Moment inne. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass jemand ausgerechnet diese grauenhaften Verbrechen aus dem
Skript
nachstellt. Und das in Hamburg. Gott, ist das schrecklich …«
So kann man auch von einem Thema ablenken
, dachte Erdmann.
Matthiessen erhob sich. »Frau Hansen, wir danken Ihnen für Ihre Hilfe. Sie werden sicher verstehen, dass wir Ihre Angaben überprüfen müssen. Wir melden uns bei Ihnen.«
»Ja, sicher.« Auch Miriam Hansen und Erdmann standen auf. »Ich verstehe das. Ich habe mir schon einen Tag nachdem ich diese Mails an Frau Kleenkamp geschrieben habe, gewünscht, ich hätte es nicht getan. Das ist eigentlich auch gar nicht meine Art, anderen Menschen böse Mails zu schreiben, aber … Ich war so wütend und fand das so ungerecht Christoph gegenüber. Sie haben doch jetzt bestimmt auch in seinen Büchern gelesen. Finden Sie nicht, dass sie etwas ganz Besonderes sind? Er hat eine so einfühlsame Art, Situationen zu beschreiben, die Orte sind so unglaublich detailgenau wiedergegeben, dass man meint, alles vor Augen zu sehen und mitzuerleben.«
»Das hörte sich aber gerade noch anders an«, versuchte Erdmann, sie ein wenig zu provozieren.
»Sie verstehen das nicht. Wenn das neue Buch fertig redigiert ist, wird das genauso gut, da bin ich sicher.« Das klang deutlich anders als zwei Minuten zuvor, fand er, beließ es aber dabei.
»Ja, also nochmals danke für Ihre Hilfe, Frau Hansen. Wir müssen nun los.«
»Was denkst du?«, fragte Matthiessen, als sie im Auto saßen und sich anschnallten.
Erdmann startete den Motor. »Ich glaube nicht, dass sie was mit der Sache zu tun hat, aber diese Naive-Mädchen-Nummer nehme ich ihr nicht ganz ab.«
»Ich auch nicht.« Matthiessen deutete mit dem Kinn nach vorne. »Gut, dann lass uns zu dem hochtalentierten Schriftsteller fahren.«
13
Matthiessen hatte ihr Telefon in der Hand, um im Präsidium anzurufen, als es klingelte. Sie ging ran, hörte zu, sagte: »Was?« und: »Mist. Womit wir ja wieder dicht an der Vorlage wären. Was steht drauf?« Erdmann beschlich ein ungutes Gefühl, und er musste sich zusammennehmen, um Matthiessen nicht zu unterbrechen und zu fragen, was los sei. »Aha. Ist das im Roman genauso? … Hm … Aha … ja, kann sein.« Sie bedankte sich und bat darum, dass sich sofort jemand daranmachte, eine Ausgabe der HAT vom 16 . Dezember 2010 zu besorgen und den Namen der Rezensentin herauszufinden. Als sie aufgelegt hatte, sah sie Erdmann an. »Ein neues Päckchen. Und …«
»Was? Wie hat sie es bekommen? Heute ist doch Sonntag.«
»Wenn du mich nicht unterbrochen hättest, wüsstest du es schon.« Matthiessen klang gereizt. »Das Päckchen ist nicht zu Nina Hartmann geschickt worden. Ein Taxifahrer hat es in der Redaktion der HAT abgegeben. Es war an niemand Bestimmtes adressiert, Absender war wieder
Peter Dorscher
. Der Taxifahrer hatte am Bahnhof gestanden. Er sagt, ein kleiner Junge brachte ihm das Päckchen und hundert Euro für die Fahrt, das war’s.«
»Mist. Und der Junge?«
Sie hob die Hände und ließ sie wieder auf die Oberschenkel fallen. »Irgendein Junge.«
»Und? Was war in dem Päckchen? Wieder so ein Ding?«
»Ja, die Widmungsseite, wie zu erwarten war.
Für alle Kritiker.
Im Roman steht an der Stelle:
Für alle Verlage.
Die Kollegen sind unterwegs.«
»Hm … also hält der Täter sich jetzt auch in diesem Punkt an den Roman. Wer war das überhaupt? Stohrmann?«
»Nein, Diederich. Als ob Stohrmann mich anrufen würde.«
»Wo wir gerade von Stohrmann sprechen … Wir haben doch zwei Kollegen vor dem Haus von Nina Hartmann postiert für den Fall, dass sie wieder ein Päckchen bekommt. Ich denke, die sollten wir abziehen. So wie es aussieht, ist es nicht mehr nötig, dass sie
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