Das Skript
schlafen konnte, während eine wilde Partyhorde Dinge anrichtete, die dazu führten, dass ein Zimmer so aussah wie Dirk Schäfers Wohnzimmer an diesem Morgen.
»Guten Morgen.« Nina Hartmann kam auf sie zu. Sie sah zwar noch etwas müde aus, war aber komplett angezogen und dezent geschminkt. Die Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Anders als ihr Freund reichte sie Matthiessen und Erdmann die Hand, bevor sie sich einen Stuhl freiräumte.
Matthiessen wartete, bis sie saß. »Frau Hartmann, wir haben noch ein paar Fragen.« Sie sah zu Dirk Schäfer. »Die übrigens auch Sie betreffen, Herr Schäfer, sogar noch mehr als Frau Hartmann.« Die beiden jungen Leute warfen sich einen Blick zu, und Erdmann war sicher, dass sie wussten, worum es ging. »Gestern Abend ging ein Anruf beim Polizeipräsidium ein, eine Frau, im Hintergrund war Musik zu hören, wie auf einer Party. Diese Frau gab uns einen Hinweis auf ein Internetforum und einen Usernamen, Doktor S.« Matthiessen machte eine Pause, behielt die beiden aber genau wie Erdmann unentwegt im Blick.
Nina Hartmann senkte den Kopf, während ihr Freund aufstand und die Hände in den Hosentaschen vergrub. »Sie meinen die Kurzgeschichten, diese kleinen Textchen, die ich vor langer Zeit mal geschrieben habe, oder?«
»Warum haben Sie uns nichts davon gesagt, als wir nach jemandem aus Ihrem Bekanntenkreis gefragt haben, der schreibt?« fragte Erdmann ruhig, woraufhin Nina Hartmann wieder den Kopf hob. »Sie haben doch nach jemandem gefragt, der einen Roman schreibt. Und auf diesem … diesem Ding, das war ja auch der Titel eines Romans. Dirk hat noch nie einen Roman geschrieben. Und er hat es auch nicht vor. Darum dachte ich …«
»In dubio pro reo«, kam es krächzend aus einer Ecke des Zimmers. Alle vier sahen sich verwirrt um. Erdmann wusste, von wem der Spruch kam, noch bevor hinter einem Sessel, schräg neben der Tür zum Balkon, die verknitterte Gestalt Christian Zenders auftauchte. Als er es geschafft hatte, sich ächzend aufzurichten, fuhr er sich mit beiden Händen durch die verstrubbelten Haare, was sein Erscheinungsbild aus Erdmanns Sicht nicht zu seinem Vorteil veränderte. Am Vortag hatte er Zender als Witzfigur empfunden, in diesem Moment erinnerte er ihn aber eher an einen Kobold oder einen Gnom. Mit Augen, die zu winzigen Schlitzen zusammengekniffen waren, blickte er um sich, tastete dann auf der Sitzfläche des Sessels herum, fand dort nach einigem Suchen endlich seine Brille und setzte sie auf. »Habe ich gerade die kläglichen Verteidigungsversuche meiner Mandanten gehört?«
Erdmann sah Matthiessen an und verdrehte die Augen, bevor er das Wort an den jungen Mann richtete. »Sie haben keine Mandanten, Herr Zender, und es kommt sogar noch schlimmer: Sie sind auch kein Anwalt. Und weil das so ist, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns unsere Arbeit machen lassen und einfach weiter Ihren Rausch ausschlafen würden.« Damit wandte er sich wieder Nina Hartmann und ihrem Freund zu. »Haben Sie denn eine Idee, wer uns angerufen haben könnte? Frau Hartmann, ich gehe mal davon aus, dass Sie es nicht waren?«
»Nein, natürlich nicht. Warum sollte ich so was tun?«
»Sie sagten, es war eine Frau? Mir fällt da ja spontan jemand ein.« Schäfer sah seine Freundin an. »Hast du Kerstin davon erzählt?« Sie hatte, das sah Erdmann sofort, doch bevor sie zu einer Antwort ansetzen konnte, war Zender am Tisch angekommen. »Worum geht es hier eigentlich? Ich habe nur die Hälfte mitbekommen, nachdem Sie mich geweckt haben.«
»Setz dich einfach hin und hör zu«, fuhr Dirk Schäfer ihn barsch an, woraufhin Zender beide Hände hob und sich nach einem Stuhl umsah. »Schon gut, schon gut. Ich sag nichts mehr. Amicus certus in re incerta cernitur. In der Not erkennst du den wahren Freund.«
»Ja, es stimmt, ich habe Kerstin davon erzählt«, sagte Nina und lenkte damit die Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Sie hat doch sowieso schon von dem Päckchen gewusst.« Sie sah Matthiessen hilfesuchend an. »Und nachdem Sie gestern hier waren, wollte ich mit jemandem darüber reden, der sich nicht darüber lustig macht, dass ich Angst habe.« Das hatte den beiden jungen Männern neben ihr gegolten.
Dirk Schäfer zuckte mit den Schultern. »Na, dann dürfte ja klar sein, von wem der Anruf kam.«
»Wer ist diese Kerstin?«, fragte Matthiessen. »Und warum denken Sie, dass sie es war, die uns angerufen hat?«
Schäfer zog die Mundwinkel nach unten. »Kerstin
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