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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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Geräusch von sich, das anders klang als alle Geräusche, die sie kannte. Sie wusste, sie würde es nie wieder vergessen können. Der Körper der Frau hing nun reglos halb sitzend in der Schlinge. Die Zunge hing ihr unverhältnismäßig weit aus dem Mundwinkel, in den starren, runden Augen stand stumpfes Entsetzen. Keuchend machte das Monster einen Schritt zur Seite und ließ dabei die Schlinge los. Der leblose Körper kippte nach hinten wie eine weggeworfene Puppe. Als der Hinterkopf dumpf auf dem Boden aufschlug, musste sie sich übergeben.

14
    »Was haben Sie?«, fragte Erdmann, obwohl er die junge Frau sehr gut verstanden hatte. »
Sie
haben also diese Rezension geschrieben? Warum sagen Sie uns das erst jetzt?«
    »Diese Rezension? Was heißt das?«, fragte sie, offensichtlich verwirrt. »Ich … ich wusste doch bis eben nichts davon, dass dieses furchtbare Ding etwas mit dem Jahn-Krimi zu tun hat.« Sie sah aus, als kämen ihr jeden Moment die Tränen.
    »Sie haben ja recht, entschuldigen Sie.« Erdmann bemühte sich, seiner Stimme einen besänftigenden Klang zu verleihen.
    »Wir haben gehört, Sie haben Christoph Jahns Roman ziemlich verrissen?«, sagte Matthiessen. »Was genau fanden Sie daran so schlecht?«
    Nina Hartmann verdrehte die Augen. »Wo soll ich da anfangen? Das ist kein Krimi, das ist fast Splatter. Jahn beschreibt diese furchtbaren Morde an den Frauen so detailliert, als ergötze er sich an den Gräueltaten, die er sich selbst ausgedacht hat. Er lässt sie sich sogar gegenseitig dabei beobachten, wie sie stranguliert werden. Diese Szenen scheint er auszukosten. Viele andere Dinge, die wirklich wichtig wären, erwähnt er dagegen nur in einem Nebensatz. Es ist alles so unausgewogen, die Handlung ist dünn, seine Protagonisten bleiben flach und charakterlos. Die Handlungsorte hingegen beschreibt er geradezu akribisch und so ausführlich, dass man nach vier Seiten, auf denen ein Raum bis zum letzten Fitzelchen dargestellt wird, nach vorne blättert bis zu der Stelle, wo endlich wieder was passiert.«
    »Da werden Frauen umgebracht? Scheint ein Buch für mich zu sein.« Christian Zender grinste wieder beifallheischend in die Runde, doch bevor Erdmann seinem erneuten Ärger über den Jurastudenten Luft machen konnte, wandte Zender sich an Nina Hartmann: »Mensch, Nini, warum hast du mir nie was davon erzählt?«
    »Doch, das hab ich. Ich hab’s euch beiden erzählt, ich weiß es genau.«
    »Kennen Sie eine Frau namens Miriam Hansen?«, fragte Matthiessen die junge Frau schnell und lenkte damit Erdmanns Aufmerksamkeit von Christian Zender weg. »Sie ist Buchhändlerin.«
    »Miriam Hansen … eine Buchhändlerin …. Nein, die kenne ich nicht. Hat sie was mit dieser furchtbaren Sache zu tun?«
    »Sie ist ein großer Fan von Christoph Jahn und fand Ihre Rezension nicht so toll.«
    Die Studentin zuckte mit den Schultern. »Die Geschmäcker sind eben verschieden, und eine Rezension ist eine subjektive Sache. Für mich ist es unvorstellbar, dass jemand ein Fan dieses Autors sein kann. Aber am besten lesen Sie mal ein Buch von Jahn und machen sich selbst ein Bild.«
    »Wir sind im Moment beruflich zum Lesen seines Buches verpflichtet. Ich muss allerdings gestehen, dass ich dieser Art von Literatur ebenfalls nichts abgewinnen kann.«
    »Aiunt multum esse, non multa.«
    Erdmann hielt es nicht länger aus. »Mir gehen Ihre lateinischen Sprüche langsam gehörig auf die Nerven. Also los, zeigen Sie uns schon, wie schlau Sie sind, und sagen uns, was das wieder hieß.«
    Zender grinste nur. »Das heißt: Man sagt, man müsse vieles lesen, nicht vielerlei, Herr Kommissar.«
    »Ich bin Oberkommissar.«
    »Ja. Sie können das natürlich nicht wissen, aber mit Latein wird man während des Jurastudiums immer wieder konfrontiert, weil unser Rechtssystem historisch auf dem römischen Recht beruht. Das führt dazu, dass sehr viele Rechtsbegriffe ihren Ursprung im Lateinischen haben oder sogar komplett daraus übernommen sind. Ach, und die katholische Kirche wollen wir nicht vergessen, die durch ihren historischen Einfluss auch ihren lateinischen Teil zum juristischen Vokabular beigetragen hat. Das nur zur Erläuterung für meine Latein-Affinität. Und jetzt hab ich Durst.« Bevor Erdmann ihm noch etwas dazu sagen konnte, was er wusste und was nicht, stand Zender auf und ging in Richtung Flur.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte Nina Hartmann, als der Jurastudent um die Ecke verschwunden war. »Möchten Sie vielleicht

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