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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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erwiesenermaßen keine Schuld trägt? Also ein privater Rachefeldzug im Dienst? Und das sagen Sie mir einfach so, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt?«
    »Ein Unglück, an dem sie keine Schuld trägt? Hat sie sich so ausgedrückt? Sie hat sich damals vor Angst fast in die Hosen gemacht, während ihr Partner sich auf sie verlassen hat. Dieser Kerl hat meinen Bruder mit ihrer Waffe erschossen, und das war kein Unglück, Herr Erdmann. Er hat ihr die Waffe seelenruhig aus dem Holster gezogen, und sie hat ihm dabei zugesehen. Weil sie vor Angst nicht wagte, sich zu rühren. So war das. Von wegen Unglück.« Er war mit jedem Satz lauter geworden und atmete schwer. Erdmann sah ihm an, dass er versuchte, sich zu beruhigen. Es gelang ihm auch, und er redete in normalem Tonfall weiter. »Ich kenne Heike Kleenkamp, Herr Erdmann. Ihr Vater ist ein guter Bekannter von mir, und als ich erfuhr, dass Andrea Matthiessen die BAO leiten sollte, habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das zu verhindern. Ich hätte Dieter Kleenkamp nicht mehr in die Augen sehen können, wenn seiner Tochter etwas zustößt, weil Ihre geschätzte Kollegin auch noch diesen Fall vermasselt.«
    »Moment … Sie kennen Heike Kleenkamp?«, fragte Erdmann überrascht.
    »Ja, das sagte ich doch gerade. Hätte ich nichts dagegen unternommen, dann hätte das Leben dieser jungen Frau in den Händen einer Möchtegern-Polizistin gelegen, die schon mehrere Fälle in den Sand gesetzt hat. Einer Frau, die durch ihre Unfähigkeit den Tod mehrerer Polizeibeamter verschuldete, Herr Erdmann. Sie hat …«
    »Mehrerer Polizeibeamter? Was heißt das?«
    »Ach, das hat die Frau Hauptkommissarin vergessen zu erwähnen? Na so was. Frau Matthiessen hat Probleme mit Stresssituationen, müssen Sie wissen. Und das ist keine Phantasterei von mir, sondern eine durch psychiatrische Gutachten belegte Tatsache. Sie hat sich in gefährlichen Situationen nicht unter Kontrolle. Sie erstarrt regelrecht. Nachdem sie damals dem Mörder ihre Waffe quasi aufgedrängt hatte, damit der einen der besten und erfahrensten Beamten der Hamburger Kripo erschießen konnte, war sie erst mal über ein halbes Jahr dienstuntauglich. Man hätte sie nie wieder in die Mordkommission lassen dürfen.« Er schwieg und sah seitlich aus dem Fenster. Erdmann fragte sich schon, ob das alles war, als Stohrmann sich ihm wieder zuwandte. »Aber man hat sie wieder zur Mordkommission gelassen. Vier Jahre später, also vor etwa fünf Jahren, war sie wieder in einer Stresssituation. Ein Kerl, der zwei kleine Mädchen vergewaltigt und ermordet hat. Ein brutales, gewissenloses Dreckschwein. Er hauste außerhalb, in einer heruntergekommenen Baracke. Sie war mit einem ganzen Einsatzteam dort, das Haus war komplett umstellt, und der Kerl hatte eigentlich keine Chance zu entkommen. Eigentlich. Wenn er sich für seine Flucht nicht ausgerechnet das Fenster ausgesucht hätte, vor dem Frau Matthiessen stand.
    Wieder einmal ist sie vor Furcht erstarrt. Sie hat den Kerl angesehen wie eine Kuh, wenn’s donnert, und hat ihm nachgeschaut, als er davonspaziert ist, Herr Erdmann. Sie hat nicht einmal den Versuch gemacht, ihre Waffe zu ziehen und ihn aufzuhalten. Zwei Tage später hat er wieder ein Kind vergewaltigt und umgebracht, eine Woche danach hat er bei einer Fahrzeugkontrolle ohne Vorwarnung einen Polizisten erschossen. Der Kollege war 24  Jahre alt, Herr Erdmann. Und er könnte heute noch leben.« Erneut wanderte sein Blick zur Seite, zum Fenster, aber nur kurz, dann sah er Erdmann wieder an. »Das wussten Sie nicht, oder?«
    In Erdmanns Kopf herrschte hektische Betriebsamkeit. Wenn es stimmte, was Stohrmann ihm da erzählte, hätte Matthiessen gar nicht mehr in den Außendienst gedurft. Er überlegte, was das, was er da gehört hatte, für ihn bedeuten konnte. Was, wenn er mit Matthiessen zusammen in eine brenzlige Situation geriet? Was, wenn er auf seine Partnerin angewiesen war? Was, wenn sie dann nicht … »Hat man den Kerl damals gefasst?«
    »Ja, nachdem er den Kollegen erschossen hat, gab es eine Verfolgungsjagd, bei der er angeschossen wurde. Er hat lebenslänglich bekommen, mit anschließender Sicherungsverwahrung. Er hat bei seiner Vernehmung ausgesagt, dass Matthiessen ihn einfach gehen ließ, als er aus dem Fenster gestiegen ist. Er hat dabei lauthals gelacht, Herr Erdmann. Er hat die gesamte Hamburger Kriminalpolizei verhöhnt, weil eine Beamtin vor Angst erstarrt ist, als er vor ihr

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