Das Skript
du mir nun von dem Gespräch mit Stohrmann? Ich meine, nachdem er dich auseinandergenommen hat.« Der Moment war vorbei, und vor Erdmann saß wieder die Kollegin und zugleich Vorgesetzte.
»Ja, du hast recht, er hat mich auseinandergenommen. Er hat mir gedroht, wenn so was noch mal vorkommt … Na ja, das Übliche halt. Er sorgt dafür, dass ich den Rest meines Lebens in irgendeinem Kaff verbringe und so weiter.«
»Das tut mir leid. Aber es war auch nicht sehr klug von dir, vor der gesamten Mannschaft so mit ihm zu reden. Er ist der Chef und kann sich das nicht bieten lassen, wenn er seine Autorität nicht aufs Spiel setzen möchte.«
»Oh, keine Ursache, du brauchst dich wirklich nicht so übertrieben zu bedanken.« Er grinste, aber sie überging es. »Und weiter?«
»Er sagte, dass er die Familie Kleenkamp gut kennt und dass er auch deswegen so genau darauf achten würde, dass uns kein Fehler unterläuft. Warum kommt es mir nur so vor, als ob dich das nicht überrascht?«
»Weil es nicht so verwunderlich ist, wie du vielleicht denkst. Stohrmann kennt Polizeipräsident Reimann. Ich glaube, sie spielen beide Golf oder so was. Und wie wir ja wissen, ist Reimann ein guter Freund von Dieter Kleenkamp. Da ist es nicht weiter erstaunlich, wenn die beiden sich irgendwann getroffen haben. Und dass er dann bei einer Gelegenheit auch Kleenkamps Tochter kennengelernt hat. War das alles?«
»Ja, das war alles«, log er und hoffte, dass sie es nicht bemerkte.
»Du lügst.«
Mist.
»Ich … ja, ich wollte dir das ersparen.«
»Also?«
Erdmann schätzte, dass er ihr zumindest einen Teil sagen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass sie Stohrmann deshalb zur Rede stellte. »Es ging um diese Geschichte mit seinem Bruder. Er sieht das natürlich ein bisschen anders als du und gibt dir die Schuld. Aber das weißt du ja. Jedenfalls hat er damit erklärt, warum er sich dir gegenüber etwas seltsam verhält.«
Die Blondine brachte ihnen ihre Getränke, eine Apfelsaftschorle für Erdmann und für Matthiessen einen Caffè Latte in einem hohen Glas. Sie nahm den langen Löffel und stocherte damit im Milchschaum herum, der das obere Drittel des Glases ausmachte. »Und das war alles?«
»Ja, was sollte er denn sonst noch sagen?« Erdmann war gespannt, wie sie darauf reagieren würde, er hoffte insgeheim, sie würde ihm nun von dem jungen Kollegen erzählen, der erschossen worden war.
»Ich weiß nicht«, sagte sie stattdessen. »Jedenfalls fand ich es nett von dir, dass du ihm gegenüber für mich eingetreten bist, obwohl du dadurch Ärger bekommen hast. Das erlebt man nicht so oft.«
»Wir sind doch ein Team, oder? Da ist es doch wohl normal, dass man sich auf den anderen verlassen kann. Gerade, wenn es unangenehm wird. Oder siehst du das anders?«
Sie sah von ihrem Glas auf. »Nein, ich sehe das genauso. Trotzdem ist es etwas Besonderes.«
Erdmann kam sich hinterhältig vor. Er war enttäuscht, dass sie ihm nichts von der Sache mit dem jungen Polizisten erzählte, verheimlichte ihr seinerseits aber, was Stohrmann ihm darüber gesagt hatte. Er gab ihr nicht einmal die Chance, ihm ihre Version zu schildern.
Er kam auch nicht mehr dazu, es sich anders zu überlegen, denn sein Telefon klingelte. Es war Jahn. Als Erdmann für Matthiessen mit den Lippen stumm den Namen des Autors formte, hatte er verrückterweise ein schlechtes Gewissen, weil er ihm seine Telefonnummer gegeben hatte und Jahn nun ihn anrief und nicht sie.
»Mir ist da was eingefallen«, lenkte Jahn ihn von diesen Gedanken ab. »Ich habe lange darüber nachgedacht, ich gestehe, ich weiß nicht, warum mir das nicht gleich aufgefallen ist. Dieser Täter – er weicht gar nicht von meinem Roman ab.« Er machte eine Pause, als warte er darauf, dass Erdmann ihn dazu aufforderte, weiterzureden.
»Weshalb, wie meinen Sie das?«
»Also, in meinem Roman geht das erste Päckchen zwar auch an eine Zeitung, aber anders als bei all den anderen Sendungen ist es an eine bestimmte Person adressiert, und zwar an die Kulturredakteurin dieser Zeitung.« Wieder machte er eine Pause.
»So ganz kann ich Ihnen noch nicht folgen«, gab Erdmann zu.
»Ich erkläre es Ihnen. Der Täter hat sein Manuskript auch an verschiedene Zeitungen geschickt, nachdem es von den Verlagen abgelehnt worden war. In vielen großen Tageszeitungen werden bekannte oder auch noch unbekannte Romane als Fortsetzungsgeschichte abgedruckt. Jeden Tag ein kleiner Abschnitt. Ebenso wie Verlage bekommen auch
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