Das Sonnenblumenfeld
Professor schwieg. Er nahm sein Glas und stand auf, dann ging er zum Zaun und starrte schweigend auf die gelben Lichter der Landstraße in der Ferne.
Dummenico ging zu ihm.
»Prufessò, du bist mir doch nicht böse?«
Auch diesmal antwortete der Professor nicht. Er kipp
te das Glas in einem Zug und drehte sich zu Dummenico um.
»Mimmù …«
»Entschuldige, Prufessò, vielleicht war ich zu aggressiv.«
»Mimmù …«, wiederholte der Professor.
»Mir kocht manchmal das Blut hoch, du weißt doch, wie ich bin.«
»Mimmù …«
»Vielleicht ist mir der Wein zu Kopf gestiegen. Das nächste Mal …«
»Verdammt, Mimmù, lass mich zu Wort kommen!«
Dummenico schwieg und der Professor ging zum Tisch. Dann drehte er sich zu dem Freund um.
»Wenn wir diesen Überfall wirklich machen wollen«, sagte er, »müssen wir gut planen, sonst kriegen die uns dran.«
Dummenico war sprachlos.
Er meinte, sich verhört zu haben.
»Ist das dein Ernst?«, fragte er.
Der Professor füllte die Gläser. Dann hob er seins.
»Auf die Lottostelle, Mimmù! Und deinen klaren Kopf!«
Die Lottostelle wird ausgeraubt
Zuerst entschieden Dummenico und der Professor, dass sie sich eine andere Lottostelle suchen mussten. Im Dorf hätte man sie erkannt, sie hätten sich nirgendwo verstecken können. Das hatte Dummenico nicht bedacht.
Zwei Wochen lang klapperten sie sämtliche Dörfer der Umgebung ab. Sie waren kurz davor aufzugeben, als sie am Bahnhof von Muntagnone Lido eine Lottostelle fanden, die wie für sie geschaffen schien.
Sie befand sich im Bahnhofsgebäude. Morgens war sie voller Leute, die nach dem Kaffee Lotto spielten, während sie auf den Anschlusszug zum Meer warteten. Dummenico und der Professor beschlossen, mit dem Zug zur Lottostelle zu fahren. Und den Lieferwagen in der Nähe zu verstecken, damit er keinem auffiel.
Ob sie sich bewaffnen sollten, wussten sie nicht. Schießen kam nicht infrage, aber mit leeren Händen konnten sie dort nicht auftauchen. Schließlich entschieden sie sich für zwei Spielzeugpistolen, die echt aussahen. Und die sie sicherheitshalber in der Provinzhauptstadt hundert Kilometer weit weg kauften.
Sie legten den Zeitpunkt des Überfalls auf halb vier nachmittags, wenn die Lottostelle nach der Mittags
pause wieder aufmachte. Bei der Hitze würden wenige Leute da sein, alle wären am Meer oder schliefen nach dem Essen.
Am Abend zuvor versteckten sie den Lieferwagen einen halben Kilometer von der Lottostelle entfernt, zwischen Weinstöcken, wo man direkt von den Gleisen aus hingelangte.
Dann gingen sie den Plan dreimal durch und legten sich schlafen.
»Prufessò, ich hab kein Auge zugetan«, sagte Dummenico am nächsten Morgen.
»Und das Schlafmittel, das ich dir gegeben habe?«
»Hab ich genommen, war aber trotzdem wach wie eine Fledermaus.«
Als der Zug kurz vor Muntagnone Lido war, schauten sie einander an.
»Wie fühlst du dich, Mimmù?«, fragte der Professor.
»Wie ein Löwe«, antwortete Dummenico.
Aber seine Hände zitterten, und er schwitzte trotz der Klimaanlage.
»Ich mach mir fast in die Hosen«, sagte der Professor. »Wollen wir's lieber lassen?«
»Nicht mal, wenn sie mich umbringen«, antwortete Dummenico.
Und er zog aus der schwarzen Tasche einen besonders guten Primitivo, der von dem legendären Abendessen übrig geblieben war.
Als sie aus dem Zug stiegen, fühlten sie sich sicherer und wollten es bloß schnell hinter sich bringen.
Sie kamen näher und sahen, wie die Besitzerin den Rollladen hochzog. Vor dem Bahnhofsgebäude waren nur eine Frau, die in ihr Handy sprach, ein Schwarzer mit einer Tasche, der eine Limonade trank, und ein Junkie, der auf einer Bank lag und schlief. In einem Raum saß der weißhaarige Bahnhofsvorsteher am Computer. In der Bar machte die Putzfrau sauber.
Sie näherten sich ohne Eile und gingen aufs Klo, um der Besitzerin Zeit zu geben, den Laden aufzumachen.
»Bist du bereit, Prufessò?«
Der Professor hielt den Daumen hoch.
Sie liefen aus der Toilette zur Tür der Lottostelle, banden sich die Tücher vors Gesicht und gingen hinein.
Die Besitzerin schaltete noch die Automaten ein und bemerkte sie erst gar nicht. Dummenico schloss die Tür zum Laden und stellte sich davor, damit niemand reinkam. Der Professor ging zur Besitzerin und hielt ihr die Pistole unter die Nase.
»Das ist ein Überfall. Nicht schreien, und keine Bewegung, wenn du mit dem Leben davonkommen willst.«
Die Besitzerin schaute erst die Pistole
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