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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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den Pistolen in den Händen. Er wollte raus, aber der Dünne schloss die Tür. Dann zeigte er auf die Pistole und bedeutete ihm zu schweigen.
    Der Schwarze dachte, dass er sich nicht vor dem Meer und dem Krieg in Afrika gerettet hatte, um jetzt in dieser verdammten Lottostelle erschossen zu werden.
    Er hob die Arme und rührte sich nicht.

Die Flucht
    »Was machen wir jetzt mit dem?«, fragte der Professor.
    »Zieh ihm eins über den Schädel und lass uns verschwinden.«
    Der Professor schaute den Schwarzen an. Und sah, wie rot seine Augen waren von Mühsal und Müdigkeit.
    »Ich zieh keinem eins über den Schädel«, sagte er.
    Dummenico ging entschieden auf den Schwarzen zu und hob die Pistole, um zuzuschlagen.
    Der Schwarze schützte sein Gesicht mit den Händen. Dummenico ließ die Pistole sinken.
    »Komm, wir geben ihm hundert Euro und lassen ihn laufen«, schlug der Professor vor.
    »Prufessò, der hat mein Gesicht gesehen.«
    »Na und? Willst du den deshalb erschießen?«
    »Nee …«
    »Dann gib ihm 'n Hunni und lass ihn laufen.«
    »Hundert ist 'ne Menge Holz«, sagte Dummenico.
    »Tust grad so, als wär's deine Kohle. Los, mach schon – halt keine Volksreden.«
    Dummenico nahm zwei Fünfzig-Euro-Scheine aus der Tasche und gab sie dem Schwarzen.
    Der schaute das Geld an. Dann schaute er Dummenico an, der ihm Zeichen gab, schweigend abzuhauen.
Da stopfte der Schwarze sich das Geld in die Hosentasche und verschwand.
     
    Sie zählten bis zehn, um zu schauen, was passierte. Dann verschwanden sie auch.
     
    Der Schwarze war wie vom Erdboden verschluckt, alles wirkte ruhig.
    Sie gingen den Bürgersteig entlang, bemüht unauffällig. Aber der Schweiß lief ihnen in Strömen über die Stirn, schlimmer als ein Springbrunnen.
    Am Ende des Bürgersteigs begannen die Gleise, die mussten sie dreihundert Meter weit entlanggehen. Dann kam eine niedrige Trockenmauer, über die sie springen mussten, und von dort gelangte man zum Weinberg. Von dort aus war man in drei Minuten beim Lieferwagen.
    Als sie gerade den Bürgersteig verließen, ertönte ein Hilfeschrei.
    Die Besitzerin der Lottostelle.
    Dummenico und der Professor zwangen sich, nicht zu rennen, und gingen weiter die Gleise entlang.
    Sie hatten gerade mal zwanzig Schritte gemacht, als sie hinter sich einen Pfiff hörten. Sie drehten sich um und sahen den Bahnhofsvorsteher, der hinter ihnen herrannte und pfiff.
    Dummenico und der Professor fingen auch an zu rennen.
    »Prufessò, verdammte Scheiße, wir sind am Arsch!«, rief Dummenico.
    »Wollen wir mal sehen, ob wir im Arsch sind, Mimmù. Das schafft der nie.«
    »Aber wenn die Carabinieri kommen?«
    »Spar dir den Atem und lauf, Mimmù. Jetzt hilft nur abhauen.«
    Und auf den Gleisen, unter der brennenden Sonne, rannten Dummenico und der Professor so schnell, wie sie konnten.
    Der Bahnhofsvorsteher fiel hinter ihnen zurück. Sein Bauch hüpfte bei jedem Schritt. Der Atem blieb ihm unter der Sonne weg.
    »Wenn das Herz mich jetzt nicht im Stich lässt«, sagte sich Dummenico, »dann verlässt es mich nie mehr.«
    »Komm, wir sind fast an der Mauer«, sprach ihm der Professor Mut zu.
    Voller Angst setzten sie über die Mauer, warfen sich auf den Boden und krochen durch den Weinberg, und als sie in den Lieferwagen stiegen, war niemand mehr hinter ihnen her.

Der Schwarze, der die zweite Flucht
des Tages versucht
    Kaum war der Schwarze aus der Lottostelle raus, griff er nach seiner Tasche, um so schnell wie möglich abzuhauen, denn innerhalb von fünf Minuten würde sich der Bahnhof in ein Polizeihauptquartier verwandeln. Und mit seiner abgelaufenen Aufenthaltsgenehmigung ließ er sich hier lieber nicht blicken. Die könnten ihn sogar für einen Komplizen der Diebe halten und ins Gefängnis stecken.
    Während er überlegte, wo er hinsollte, sah er den Dürren und den Schnauzbärtigen aus der Lottostelle kommen. Er versteckte sich hinter einer Säule, und als er sah, in welche Richtung sie liefen, ging er in die entgegengesetzte.
    Nach drei Schritten rannte eine Frau aus der Lottostelle und begann zu schreien. Sofort danach hörte er Pfiffe. Vor Schreck rannte er los, obwohl ihm das Knie wehtat.
    Beim Rennen drehte er sich um, er wollte sehen, ob sie ihm folgten. Und als er sich umdrehte, wäre er fast unter ein Auto geraten, das schnell auf ihn zukam. Das Auto bremste, nichts passierte. Das Problem war nur, dass es sich ausgerechnet um ein Polizeiauto handelte, und bevor er auch nur Zeit hatte,
den Mund aufzumachen,

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