Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
Vom Netzwerk:
saß er schon in Handschellen auf der Rückbank.
    Er versuchte zu protestieren, aber dann dachte er, dass es sein Schicksal wohl so wollte. Das Leben hatte ihn gelehrt, dass das Schicksal einen auf seltsamen Wegen zu seiner Bestimmung führte.
    Deshalb schwieg er und wartete darauf, dass sich zeigte, was dieser Tag brachte.

Caterina
    Kurz vor dem Sonnenblumenfeld hielt Caterina im Schatten der Olivenbäume, um durchzuatmen.
    Sie stieg vom Fahrrad und zog eine Packung parfümierter Erfrischungstücher aus der Tasche. Mit einem rieb sie sich Hals und Arme ab. Mit dem anderen Knie und Schenkel.
    Wieder kam ihr der Wutausbruch ihres Vaters in den Sinn. Nur von der Mutter konnte er erfahren haben, was zwischen Lorenzo und ihr war. Vor der Mutter hatte sie keine Geheimnisse. Sosehr sie sich den Kopf zerbrochen hatte, sie verstand das Verbot, Lorenzo zu sehen, einfach nicht. Genauso wenig wie die Ohrfeige. Schließlich hatte sie beschlossen, dass es eine Laune war, weswegen sie jetzt genau das machte, was der Vater ihr verboten hatte.
    Sie zog sich mit dem Lipgloss, das Pina ihr am Morgen gegeben hatte, die Lippen nach und schaute in den Spiegel, wie sie damit aussah.
    »Mè, was willst du mit dem Lipgloss, Caterì?«, hatte die Cousine sie gefragt.
    »Erzähl ich dir später«, sagte Caterina, »aber meiner Mutter sage ich, dass ich heute bei dir bin, und bis das Konzert vorbei ist, darf sie dich nicht sehen.«
    »Siehst aus, als könntest du kein Wässerchen trüben,
dabei hast du Feuer im Arsch«, sagte die Cousine mit einem schelmischen Lächeln.
    Und ohne weitere Fragen zu stellen, erklärte sie ihr, wie man das Lipgloss benutzte.
    Und jetzt?
    Was ging ihr durch den Kopf?
    Was wollte sie beweisen?
    Sie wusste es selbst nicht.
    Nur eines wusste sie: dass sie Lorenzo sehen wollte.
    Wenn sie ihn sah, schlug ihr Herz schneller. Und wenn sie bei ihm war, kam sie sich vor wie in einem Roman.
    Sie seufzte.
    Dann stieg sie wieder auf ihr Fahrrad und fuhr zum Sonnenblumenfeld.

Lorenzo
    Gestern war sie am Nachmittag plötzlich an der Tür zur Werkstatt aufgetaucht. Sie hatte Lorenzos Großvater gegrüßt und ihm bedeutet, dass sie ihn kurz sprechen wollte. Lorenzo war herausgekommen, zusammen waren sie in die Gasse hinter dem Lager gegangen.
    Caterina war schweißgebadet. Sie schien Angst zu haben, dauernd schaute sie sich um, ob jemand sie beobachtete.
    »Mè, Caterì, ist was passiert?«
    Sie schüttelte den Kopf, aber ihr Lächeln war anders als sonst.
    »Ich kenn dich noch nicht gut«, sagte Lorenzo, »aber ich glaub nicht, dass du die Wahrheit sagst.«
    Ihr Lächeln wurde immer gequälter.
    »Du hast recht«, gab sie zu, »aber ich hab jetzt keine Zeit, es dir zu erklären.«
    »Wann sehen wir uns?«, fragte er.
    »Morgen im Sonnenblumenfeld.«
    »Morgen ist das Konzert, ich muss spielen.«
    »Dann sehen wir uns eben nicht, nie mehr«, sagte Caterina.
    Und war auf und davon auf ihrem Rad in Richtung Straße.
    »Wann?«, schrie Lorenzo und rannte ihr nach.
    »Um sechs!«, rief sie, ohne sich umzudrehen.
    »Ich komme«, schrie er.
     
    Jetzt zirpten die Grillen ohne Unterlass. Die Hitze war wie flüssiger Teer, und er wartete auf Caterina, versteckt zwischen den Sonnenblumen.
    Die Schwere in seinem Kopf war verflogen, ohne Spuren zu hinterlassen. Nur ein unbestimmtes Gefühl war geblieben, eine Ahnung, die er nicht verstand und die ihn beunruhigte.
    Aber als er sie auf das Feld zufahren sah, war die Verunsicherung verflogen, und es blieb nur das Verlangen, sie fest an sich zu drücken.

Caterina und Lorenzo
    Kaum tauchte das flatternde Gelb der Sonnenblumen vor ihr auf, schlug ihr Herz schneller. Sie schaute sich suchend um, ob Lorenzo gekommen war. Da sie ihn nirgends entdeckte, stieg sie vom Rad und versteckte es zwischen den Blumen. Sie strich sich das Sommerkleid glatt. Und schüttelte ihre Haare. Während sie eine Biene dabei beobachtete, wie sie den Nektar aus einer Blüte saugte, hörte sie jemanden rufen.
    »Caterina!«
    Sie drehte sich um.
    Und sah ihn.
    Er hatte das T-Shirt an, das er auf der Party von Caetano Corona getragen hatte. Und kam ihr noch dunkler und schwärzer vor als damals.
    Wie ein echter Sarazene.
    Lorenzo ging zu ihr.
    Er wollte sie küssen, so wie am Strand.
    Caterina wollte dasselbe.
    Aber als Lorenzo nach ihr griff, lief sie durch das Sonnenblumenfeld davon.
    So wie sie es am Strand von Roccelle gemacht hatte.
    »Warte!«, rief Lorenzo ihr nach.
    Aber sie lief weiter.
    Schnell und leicht wie

Weitere Kostenlose Bücher