Das Sonnenblumenfeld
eine Libelle. Sie verschwand und tauchte zwischen den Sonnenblumen wieder auf. Und sah selbst wie eine Sonnenblume aus.
Lorenzo lief hinter ihr her. Ab und zu war sie zum Greifen nah, dann entwand sie sich wieder seinen Fingern.
Dann hielt er sie in den Armen. Unerwartet. Caterina war außer Atem. Lorenzo spürte ihren heißen Atem im Gesicht. Er spürte sogar den Herzschlag des Mädchens. Und die Hitze in ihm, die immer stärker wurde, je länger er sie umarmte.
»Warum fahren wir nicht zusammen weg?«, fragte Caterina, ohne zu wissen, wie ihr der Gedanke plötzlich in den Sinn gekommen war.
»Wohin denn?«
»Keine Ahnung, lass uns einfach wegfahren.«
»Du und ich allein?«
»Du und ich allein.«
»Heute Abend?«
»Heute Abend.«
»Ja«, sagte er.
Und legte seine Lippen auf ihre.
Caterina rührte sich einen Augenblick lang nicht. Sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, sie fühlte, wie ihr Herz barst.
Dann merkte er plötzlich, wie sie schmolz.
Er umarmte sie, so fest er konnte, und sie schmiegte sich an ihn wie eine Liane .
Das Trio
Capa di Ciuccio hatte sich in die Blumen gelegt und betrachtete das Blau des Himmels durch die gelben Blüten. Ab und zu trank er einen Schluck Wein. Er fand, so gut war es ihm noch nie gegangen.
Cicciariello hingegen war ziemlich nervös. Das hier hatte nichts mit den Mädchen zu tun, denen sie in den Diskotheken nachstellten. Oder mit den Mädchen, die sie am Strand flachlegten. Auch nicht mit den Albanerinnen, die samstagabends an der Landstraße auf den Strich gingen und für zwanzig Euro alles machten.
Das hier war was anderes.
Nicht auszudenken, was werden würde oder was hinterher geschah. Vor allem, da es seine Schuld war. Denn er hatte, als er am Lager des Schuhmachers vorbeigegangen war, gehört, wie Lorenzo und Caterina sich für sechs Uhr verabredeten. Dann hatten sie mithilfe des Weins, in den sie die Drogen gerührt hatten, Lorenzo den Treffpunkt entlockt, das Sonnenblumenfeld. Deshalb war er schrecklich nervös, rauchte einen Joint nach dem anderen und spähte über Fellones Schulter nach Caterina.
»Und wenn sie gar nicht kommt?«, fragte er irgendwann.
Vielleicht war das eher eine Hoffnung als eine Sorge.
Fellone antwortete nicht einmal.
Er stand so unbeweglich zwischen den Blumen wie eine Vogelscheuche.
Seine Gedanken aber, sie rasten ohne Unterlass.
Ihm fiel wieder ein, wie er sich mit dem Enkel des Schusters geprügelt hatte. Er hatte den Tammorraspieler für schwächer gehalten. Aber stark war der, und Mut hatte er obendrein. Und als der Vater sie getrennt hatte, hätte er vor Scham beinahe geheult. Er hatte weder Lorenzo noch diesen Sturkopf Caterina kleingekriegt.
Dann hatte er den Fehler gemacht, es seinem Vater anzuvertrauen.
Solche Angelegenheiten machte man unter sich aus. Ohne die Erwachsenen. Dies war seine Pizzica, und er beschloss, sie von nun an allein zu tanzen. Jede Geduld war verschwunden, und er wollte nur noch die Wut austoben, die in ihm raste.
Ob er sie im Guten oder im Schlechten austobte, interessierte ihn einen Scheißdreck.
Während er darüber nachdachte, tauchte Caterina in der Ferne auf. Auf ihrem Rad fuhr sie zum Sonnenblumenfeld. Mit dem geblümten Kleid und den Haaren, die im Wind flatterten, schien sie ihm noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte.
Ihre Schönheit aber machte ihn nur wütender. Sie brachte sein Blut zum Kochen.
Küsse ohne Ende
Sie hielten die Augen geschlossen und schmiegten sich aneinander, benommen und außer Atem.
Schließlich mussten sie ihre Lippen voneinander lösen, um Luft zu holen.
Sie öffneten die Augen und sahen sich an.
Ihr erschien Lorenzo wie der Seemann, von dem sie als Kind geträumt hatte und der sie jetzt auf sein Segelboot entführte und ihr zeigte, wie man die Sterne deutete.
Ihm erschien Caterina schön wie ein Traum, und er hatte Angst, dass er aufwachen und sie nicht mehr finden würde.
»Heute Abend ist das Konzert«, sagte sie.
»Macht nichts«, sagte Lorenzo.
»Ich weiß, dass dir das wichtig ist.«
»Du bist mir wichtiger.«
Sie wurde rot vor Freude.
»Es ist schön, wenn du die Tammorra schlägst«, sagte sie.
»Ich hab sie dabei, gleich schlage ich sie nur für dich.«
»Wann gleich?«, fragte Caterina lächelnd.
»Wenn du keine Lust mehr hast, mich zu küssen.«
»Das dauert aber lange«, sagte sie. Und begann noch einmal, ihn zu küssen.
Das Fest von Santu Vito Liberatore
Zuerst kamen die Feuerschlucker, die rote Umhänge trugen,
Weitere Kostenlose Bücher