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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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die man nicht in den Mund schieben konnte, ohne auf beiden Wangen acht Zentimeter lange Salatsoße-Schlieren zu hinterlassen. Getreu einer Art Retro-Nostalgie der in den 1990er Jahren populär gewesenen »Turm-Küche« bestand sein Hauptgericht aus einem dreistöckigen Steak-Kartoffel-Zwiebel-Gebilde, das an den Berg Devils Tower in Steven Spielbergs Unheimliche Begegnungen der dritten Art erinnerte. Bei jedem Stück, das er von diesem Monstrum abschnitt, hatte er unwillkürlich das Gefühl, er würde mit bloßen Zähnen aus dem Mount Rushmore – dem Berg, in den die Porträtköpfe amerikanischer Präsidenten gemeißelt sind – eine Gesteinsschicht herausraspeln.
    Aber all das spielte keine Rolle, denn zwischen Rob und Julia funkte es. Beim Hauptgang erzählte sie ihm aus ihrem Leben: von ihrer Kindheit und Jugend, ihrem Studium der Kommunikationswissenschaft, ihrer Arbeit als Publizistin, dem damit verbundenen Frust und schließlich von ihrem Traum von einer PR -Firma für virales Marketing, die sie eines Tages gründen wollte.
    Julia neigte sich zu Rob hin, als sie ihm ihre innere Berufung erläuterte. Sie nippte nur kurz an ihrem Glas Wasser und kaute unglaublich schnell, damit sie ohne Unterbrechung erzählen konnte. Ihre Energie war ansteckend. »Das wird der Wahnsinn!«, schwärmte sie. »Das könnte alles ändern!«
    90 Prozent der emotionalen Kommunikation sind nonverbal. 17 Gesten sind eine unbewusste Sprache, die wir nicht nur dazu benutzen, um unsere Gefühle auszudrücken, sondern auch, um sie überhaupt erst zu erzeugen; die Ausführung einer Geste trägt dazu bei, einen bestimmten mentalen Zustand hervorzurufen. Rob und Julia leckten sich die Lippen, neigten sich auf ihren Stühlen vor, warfen sich verstohlene Blicke zu und benutzten auch all die anderen Tricks jener unbewussten Choreografie, die Menschen beim Flirten anwenden. Unabsichtlich legte Julia den Kopf leicht auf die Seite und exponierte damit ihren Hals – ein Signal, das bei Frauen Erregung anzeigt. Hätte sie ihr vermeintlich stahlhartes Ich in diesem Moment im Spiegel gesehen, sie wäre entsetzt gewesen: Sie war zu einem Marilyn-Monroe-Verschnitt mutiert, der sich lässig das Haar schüttelte, sich mit den Händen durchs Haar fuhr und die Brust rausstrecke, um sie möglichst sichtbar zu machen.
    Julia war noch gar nicht aufgefallen, wie sehr sie es genoss, sich mit Rob zu unterhalten. Die Kellnerin aber hatte die fiebrige Wärme auf ihren Gesichtern längst bemerkt und freute sich, denn Männer sind bei ersten Dates die großzügigsten Trinkgeldgeber. Erst Tage danach ging Julia auf, welch bleibende Bedeutung dieses Treffen hatte. Jahrzehnte später erinnerte sie sich noch an die kleinsten Details ihres gemeinsamen Mittagessens – und nicht nur daran, dass ihr zukünftiger Ehemann den Brotkorb leer aß.
    Während all dem plätscherte das Gespräch leicht dahin.
    Wörter sind der Treibstoff des Balzverhaltens. Andere Gattungen erobern ihre Paarungspartner durch eine Reihe von Balztänzen mit sich steigernder Ausdruckskraft, Menschen benutzen Wörter für den gleichen Zweck. Geoffrey Miller hat festgestellt, dass die meisten Erwachsenen einen Wortschatz von etwa 60 000 Wörtern haben. Um diese Menge zu erreichen, müssen Kinder zwischen 18 Monaten und 18 Jahren zehn bis 20 Wörter pro Tag lernen. Dennoch bestehen 60 Prozent aller Gespräche nur aus den meistverwendeten einhundert Wörtern. Und 98 Prozent aller Gespräche setzen sich aus den 4000 am häufigsten benutzten Wörtern zusammen. Weshalb machen wir Menschen uns die Mühe, die zusätzlichen 56 000 zu lernen?
    Miller glaubt, dass Menschen sich diese Wörter vornehmlich deshalb aneignen, um potenzielle Partner effektiver zu beeindrucken und aussortieren zu können. Er hat berechnet, dass ein Paar, wenn es sich zwei Stunden täglich unterhält, dabei im Schnitt drei Wörter pro Sekunde äußert und drei Monate lang miteinander Sex hat, bevor ein Kind gezeugt wird (was in der prähistorischen Savanne die Regel gewesen sein dürfte), vor der Zeugung etwa eine Million Wörter ausgetauscht hat. 18 Das ist nicht wenig – ganz zu schweigen von der damit verbundenen Vielzahl von Gelegenheiten, sich gegenseitig zu kränken, zu langweilen oder zu ärgern. Es gibt also mehr als genug Anlässe, um sich zu streiten, sich wieder zu versöhnen, sich auf den Zahn zu fühlen und sich zu ändern. Wenn ein Paar nach all diesem Gequatsche noch immer zusammen ist, besteht eine hinlängliche

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