Das soziale Tier
um festzustellen, dass er der Papst ist.
Da er zwischen den Sitzungen mit der Aspen Strategy Group und der Trilateralen Kommission einen Tag frei hatte, lud er Erica ein, zu einer Beratungssitzung vorbeizukommen. Jedes Jahr notierte er seine Ziele für seine Fluggesellschaft auf einem Blatt Papier, und er wollte, dass ihm Erica bei der Entscheidung half, welche Prioritäten auf die Liste gesetzt werden sollten und welche nicht – Verbesserung des Online-Check-In oder Neuordnung der Zuschüsse zur Krankenversicherung von Mitarbeitern; Ablösung des Finanzvorstands oder Verringerung der Start- und Landerechte für den nördlichen Mittelwesten. Dass er sie in dieser Suite unterbrachte, war einer seiner für ihn typischen Akte erdrückender Gastfreundschaft.
Sie aßen in ihrer Suite zu Mittag, weil Mister Schöner Schein glaubte, er sei zu berühmt, als dass er ungestört in dem Restaurant im unteren Stockwerk speisen könne. Er bestellte Wein aus dem Russian River Valley und exotische Cracker aus Portugal und zeigte damit jene Art von exaltiert-erlesenem Geschmack, die Erica eher anödete. Sie unterhielten sich über das Unternehmensleitbild, aber auch über den Wechselkurs des chinesischen Yuan, Windenergie, Yoga, Lacrosse und seine Liebe zu Büchern über Helden, die am Schluss sterben.
Erica hatte die Schlafzimmertür offen gelassen, obwohl dies ein Geschäftsessen war. Sie streifte sich die Schuhe von den Füßen und schob sie über den Teppich. Dieser Mann versetzte sie in Verzückung. Beide spielten nervös mit ihren Fingern, während sie sich miteinander unterhielten. Und es war wirklich nicht die Dürre ihrer eigenen Ehe oder ihre tiefe Einsamkeit, die sie dazu brachte, mit ihm ins Bett zu gehen. Es war hauptsächlich die Neugier darauf, mit einem Mann zu schlafen, der es auf die Titelseite von Forbes geschafft hatte, und die Aufregung, etwas zu erleben, das sie nie vergessen würde.
Wenn sie in Bezug auf Mister Schöner Schein irgendeine tiefere Sehnsucht verspürte, so war es ihre langjährige Wunschfantasie, Teil eines Schlagzeilen machenden Powerpärchens zu sein, eines dynamischen Tycoon-Duos, das sich gegenseitig komplettierte – die Fitzgeralds der Wirtschaftswelt.
Ihr Geschäftsessen zog sich etwa zwei Stunden lang hin. Zum Schluss machte er ihr unverhohlen Avancen. Sie sei seine beste Beraterin, sagte er ihr, als sie im Wohnzimmer dicht beisammenstanden. Sein zweitwichtigster Berater, fuhr er fort, sei der Priester, der ihn seit 35 Jahren seelsorgerisch betreue. Er hatte Mister Schöner Schein dazu gebracht, sich bei bedeutenden katholischen Laien-Organisationen wie der Caritas, den Kolumbus-Rittern und der Papal Foundation zu engagieren. Es war typisch für diesen Mann, dass er über sein Engagement für den Heiligen Stuhl sprach, um zwischen die Beine einer verheirateten Frau zu gelangen. Die üblichen Anstandsregeln besaßen für ihn keine Gültigkeit.
Erica ließ ihn durch ihre Körpersprache wissen, dass sie bereit war, sich ihm hinzugeben, und für Mister Schöner Schein war es prinzipiell unmöglich, eine Gelegenheit zur Eroberung einer attraktiven Frau ungenutzt verstreichen zu lassen.
Scham
Als ihr Jahre später sein Gesicht auf der Titelseite von Forbes wiederbegegnete, musste sie über diesen einzigen Seitensprung, den sie sich jemals geleistet hatte, schmunzeln. An dem Abend selbst aber, nachdem es passiert war, war ihr gar nicht nach Lachen zumute.
Der Sex selbst war nichts. Buchstäblich nichts. Bloße Körperbewegungen ohne seelischen Nachhall. Doch etwa eine Stunde, nachdem er gegangen war, beschlich sie ein seltsames Gefühl. Es war, als würde sich ihr der Magen umdrehen. Es begann langsam bei einem Geschäftsessen als ein diffuser Hintergrundschmerz, der schließlich zu einem bohrenden Stechen wurde, als sie wieder allein in ihrer Suite war. In einem Sessel sitzend krümmte sie sich buchstäblich vor Schmerzen. Irgendwann wurde ihr klar, dass es Selbsthass, Scham und Abscheu waren. Sie fühlte sich hundeelend. Gedanken und Bilder schossen ihr durch den Kopf, nicht nur von dem Ereignis an diesem Nachmittag, sondern ihr kamen auch manch schreckliche Momente aus ihrer Vergangenheit in den Sinn. Sie war ihren Gewissensqualen hilflos ausgeliefert.
In den dunkelsten Stunden dieser Nacht wälzte sie sich im Bett hin und her, schlug gegen das Kissen, richtete sich auf und warf sich mit Schwung wieder auf die Matratze. Sie stöhnte laut auf, als hätte ihr letztes Stündlein
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