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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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Prinzen, russische Oligarchen, afrikanische Despoten und chinesische Milliardäre, und jeder hatte ein Gefolge glatzköpfiger Muskelprotze um sich, die aus Prestigegründen und zum Schutz vor dem Zimmer warteten.
    Ein Hotelboy führte Erica vom Aufzug zu ihrer eigenen Präsidentensuite, die seltsamerweise India Suite hieß. Nach Art eines Eunuchen, der einer Gottheit seine Reverenz erweist, geleitete er sie in einen Komplex von Zimmern, der vier- bis fünfmal so groß war wie die Wohnungen ihrer Kindheit. Er glich Ralph Laurens persönlichem Himmel – ein weitläufiges anglophiles Luxusapartment mit Walnuss-Täfelung, mehreren offenen Kaminen mit Feuerstellen aus Stein, englischen Clubsesseln, die um hübsche Erker herum gruppiert waren, einem großen marmornen Schachtisch in der Ecke, getrennten Duschkabinen für Sie und Ihn in der Badezimmer-Suite, für den Fall, dass man sich in der einen Dusche das Haar waschen und in der anderen eine Pflegespülung auftragen wollte. Mit weit aufgerissenen Augen schlenderte sie ungläubig durch den Komplex und fragte sich Dinge wie: »Was, kein Forellenbach?«
    Der Hotelboy war auf der falschen Seite der Laffer-Service-Kurve. Bei bestimmten Tophotels sind die Servicekräfte und Portiers derart eifrig bemüht, dem Gast jeden Wunsch zu erfüllen, dass je umsorgender sie sind, das Wohlbefinden des Gastes immer mehr abnimmt. Kaum haben Sie einen Schluck aus der Kaffeetasse genommen, füllen sie diese auch schon wieder auf, sodass Sie Zucker und Sahne zugeben müssen, nur um wieder den gleichen Geschmack zu erhalten. Sie bürsten einem die Jacke ab, während man versucht, seinen Mantel anzuziehen. In diesem Fall wollte der Page unbedingt Ericas Koffer auspacken und ihren Computer ins WLAN -Netz einloggen. Erica musste den Typen regelrecht hinauswerfen.
    Sie verdankte das alles ihrem Gastgeber, dem Mann, den sie Mister Schöner Schein nannte. Über Jahre hatte sie die Karriere dieses Mannes auf den Titelseiten der Wirtschaftsmagazine verfolgt, und als sie sich bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennenlernten, bat er sie, in den Verwaltungsrat seines Unternehmens einzutreten.
    Mister Schöner Schein zeigte ein besonderes Interesse an Erica, traf sich öfter mit ihr, um sich mit ihr zu beraten, und setzte sie sogar auf die Verteilerliste für sein Weihnachtspaket. Jedes Jahr schickte er an seine engsten Freunde eine große Kiste mit Süßigkeiten, die er um Geschenke wie Laptops, anspruchsvolle Biografien, marokkanische Bettdecken, alte venezianische Stiche oder irgendwelche andere luxuriöse Kleinigkeiten, die seinen vielseitigen guten Geschmack trafen, ergänzte.
    Mister Schöner Schein wirkte im welthistorischen Maßstab. Er hatte in einem sozial prekären Stadtrandviertel in Süd-Illinois mit nichts begonnen und sich von dort aus zu einem äußerst machbewussten, Polo spielenden, karitativ engagierten Spitzenmanager mit graumelierten Schläfen entwickelt.
    Sein Motto lautete »Denk nie wie ein Angestellter«, und schon als er noch blutjung war, war er überzeugt gewesen, dass ihm die Organisation, für die er arbeitete, irgendwann einmal gehören würde. Er begann seine wirtschaftliche Karriere im College, wo er Studenten in den Frühjahrsferien per Bus nach Fort Lauderdale, dem sogenannten Venedig Amerikas, kutschierte. Jahrzehnte später erwarb er als Krönung einer langen Reihe von Akquisitionen eine große Fluggesellschaft und übernahm selbst die Leitung. Trotzdem schien er einen Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, auf dem Matterhorn für Weihnachtskarten zu posieren, über den Kauf bekannter europäischer Fußballklubs zu verhandeln und die Klatschspalten zu füllen, derweil er Wohltätigkeitsaufführungen von Dantes Inferno besuchte, deren Erlös der Erforschung von Typ 1-Diabetes zugutekam, und mit seinen fünf vollkommen wohlgeratenen Söhnen Chip, Rip, Tip, Bip und Lip zu Formel-Eins-Rennen ging.
    Mister Schöner Schein konnte nicht stillsitzen. Die kleinste Geste führte er aus wie jemand, der glaubt, dass ihm Gott dabei bewundernd zusieht. Er studierte Fotos von John F. Kennedy und verbrachte Stunden vor dem Spiegel, um den aus tausend Meter Entfernung sichtbaren Mann-des-Schicksals-Blick zu perfektionieren. Alle paar Minuten aber brach ein Lachen aus ihm heraus, als könnte er es irgendwie nicht glauben, dass er tatsächlich ein so fantastisches Leben führte. Es war so, als würde er Dennis die Nervensäge dabei beobachten, wie er alle paar Minuten aufwacht,

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