Das soziale Tier
Fähigkeiten bringen neue Fähigkeiten hervor, wie James Heckman schreibt. Demgemäß zahlen sich Investitionen in Kinder weit stärker aus als Investitionen in ältere Menschen. 26 In Kursen über elterliches Erziehungsverhalten lernen Mütter, die selbst noch im Teenageralter sind, wie sie ihre Kinder bedürfnisgerecht versorgen. Hausbesuche von Kinderschwestern verhelfen desorganisierten Familien zu einer Struktur und versorgen junge Mütter mit konkreten, praktischen Tipps. Anspruchsvolle Programme über frühkindliche Erziehung haben einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern. Manchmal verschwindet der IQ -Anstieg, wenn Kinder aus hervorragenden Vorschulen in eine reguläre Schule wechseln. Soziale und emotionale Fähigkeiten scheinen jedoch nicht zu verschwinden, und diese sind mit nachhaltigen Vorteilen wie der größeren Wahrscheinlichkeit, ein Studium zu beenden, und mit besseren Karrierechancen verbunden. 27
Stadtteilbezogene Integrationsansätze wie die Harlem Children’s Zone liefern die eindrucksvollsten Erfolge. Diese Programme umfassen eine Vielzahl unterschiedlicher Teilprogramme, die alle darauf abzielen, junge Leute in eine leistungsorientierte Gegenkultur einzubinden. KIPP -Akademien und andere »strenge« Schulen verbessern die Erfolgsaussichten ihrer Schüler ganz erheblich. Schulen wie jene, die Erica besuchte, vermitteln ihren Schülern eine völlig neue Lebensweise, die viel disziplinierter und strenger ist als ihre frühere.
Das Wichtigste beim Schulunterricht ist die Beziehung zwischen einem Lehrer und einem Schüler. Kleine Klassen mögen grundsätzlich besser sein, aber es ist besser, einen guten Lehrer in einer großen Klasse zu haben, als einen schlechten Lehrer in einer kleinen Klasse. 28 Eine leistungsbezogene Bezahlung von Lehrern sollte helfen, fähige Lehrer an die Schule zu binden. Schüler und Studenten lernen am besten von jemandem, zu dem sie eine starke emotionale Bindung aufgebaut haben. Auch Mentoring-Programme fördern Beziehungen. Schüler und Studenten brechen die Highschool oder das College viel seltener ab, wenn sie dort eine wichtige Bezugsperson haben, die sie anleitet und Tag für Tag ermuntert. Die City University of New York bietet ein Programm namens ASAP an, das ein intensives Mentoring beinhaltet und die Abschlussquoten zu erhöhen scheint. 29
Die Humankapital-Strategien der ersten Generation verschafften Menschen Zugang zu Schulen, Colleges und Ausbildungseinrichtungen. Die Strategien der zweiten Generation müssten ihnen dabei helfen, sich jene Gewohnheiten, Kenntnisse und mentalen Fähigkeiten anzueignen, die sie brauchen, um dort erfolgreich zu sein. Es genügt nicht, einer Schülerin die Chance zu geben, ein Community College zu besuchen, wenn sie die Anforderungen, mit denen sie dort konfrontiert ist, verwirrend findet, die Studienberater unfreundlich und schwer erreichbar sind, das Einschreibungsverfahren kompliziert ist, die wichtigen Lehrveranstaltungen bereits ausgebucht und die Examensanforderungen undurchschaubar sind. Diese Hindernisse lassen Studenten scheitern, denen es an Sozialkapital fehlt. Humankapitalstrategien der zweiten Generation müssen dem verborgenen Lehrplan des Lebens genauso viel Beachtung schenken wie dem offenkundigen.
Eine Nation der Fleißigen und Strebsamen
Je mehr Zeit Harold damit verbrachte, über Politik nachzudenken und sich eine Leitphilosophie zu erarbeiten, umso deutlicher erkannte er, dass persönliche Entwicklung und soziale Mobilität im Zentrum seiner Vision einer großartigen Gesellschaft standen. Soziale Mobilität eröffnet Horizonte, weil Menschen größere Chancen und ganz neue Lebensperspektiven sehen. Soziale Mobilität vermindert den Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Schichten, weil niemand dazu verdammt ist, seine Tage in jener Schicht zu verbringen, in die er hineingeboren wurde. Soziale Mobilität entfesselt kreative Energien. Sie vermindert die Ungleichheit, weil man seine gesellschaftliche Stellung verändern kann.
Harold lebte in einer Nation mit zwei dominanten politischen Bewegungen. Da war die »sozialdemokratische« Bewegung, die glaubte, der Staat könne die Gleichheit fördern, und es gab die konservative Bewegung, die den Staat auf wenige Kernaufgaben beschränken und die individuelle Freiheit stärken wollte. In der Vergangenheit hatte es aber noch eine weitere Bewegung gegeben, die einen »beschränkten, aber tatkräftigen Staat« postulierte, der die soziale
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