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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Generation gibt, die keinerlei Verpflichtung verspüren, ihr Land zu verteidigen. Verweigerer nennen sie sich. Männer, die ihr Gewissen erforschen und keinerlei Anlass darin finden, dem Ruf der Pflicht nachzukommen. Sie sehen aus wie alle anderen Männer auch, haben zwei Augen und zwei Ohren, zwei Arme und zwei Beine. Nur keine Eier, das versteht sich. Aber solange man ihnen nicht die Hosen runterzieht und die entsprechenden Nachforschungen anstellt, kann es ziemlich schwer sein, sie von richtigen Männern zu unterscheiden. Aber es gibt sie. Sie umringen uns, und sie würden uns erledigen, wenn sie könnten. Sie unterstützen den Feind.«
    Er lächelt ein bitteres, wütendes Lächeln, und die Männer in den Reihen grummeln und schimpfen in sich hinein. Sie sehen Wolf mit Verachtung an, und alle überbieten sich darin, Sergeant Clayton davon überzeugen zu wollen, dass sie nicht zu dieser Gruppe gehören. Wolf, das muss ihm zugutegehalten werden, behauptet sich und reagiert nicht auf das Zischen und Buhen in seine Richtung, Hohn- und Ablehnungsbekundungen, gegen die weder der Sergeant noch seine Corporals etwas unternehmen.
    »Sauerei«, sagt eine Stimme hinter mir.
    »Verdammter Feigling«, sagt eine andere.
    »Drückeberger.«
    Ich beobachte, wie er auf die Beschimpfungen reagiert, und dabei fällt mein Blick zum ersten Mal auf Will Bancroft. Er steht vier Männer weiter links und starrt Wolf mit einem interessierten Ausdruck auf dem Gesicht an. Er wirkt nicht so, als hieße er gut, was Wolf tut, aber er stimmt auch nicht in den Chor der Missfallensbekundungen ein. Es ist, als wollte er das Innere dieses Mannes erfassen, der sich einen Kriegsdienstverweigerer nennt, und als hätte er bisher nur von solch mythischen Wesen gehört und sich immer gefragt, wie sie wohl aussehen mögen. Ich betrachte ihn – Bancroft, meine ich, nicht Wolf –, unfähig, den Blick von ihm zu wenden, und er muss mein Interesse spüren, fängt meinen Blick auf und erwidert ihn einen Moment lang, neigt den Kopf leicht zur Seite und lächelt. Es ist seltsam: Ich habe das Gefühl, ihn bereits zu kennen. Als wären wir uns früher schon begegnet. Verwirrt beiße ich mir auf die Lippe, sehe weg und halte den Blick, so lange es geht, von ihm abgewandt. Als ich wieder hinsehe, steht er aufrecht in der Reihe und sieht nach vorn. Fast ist es so, als hätte es die kleine Verbindung zwischen uns nie gegeben.
    »Genug, Männer«, sagt Sergeant Clayton, und die Unruhe erstirbt schnell, als sich nun alle Köpfe wieder nach vorn wenden. »Treten Sie vor, Wolf«, sagt er, und mein Nachbar zögert nur kurz, bevor er sich in Bewegung setzt. Ich spüre die Angst hinter seiner Ungerührtheit. »Und Sie, Mr Rich«, sagt Clayton, »unser sich suhlendes Schwein. Sie beide, kommen Sie bitte her zu mir.«
    Die beiden treten vor, bis sie vielleicht noch zwei Meter vom Sergeant entfernt sind und damit genau zwischen ihm und der ersten Reihe stehen. Es herrscht absolute Stille.
    »Meine Herren«, sagt Sergeant Clayton und sieht die versammelten Männer an. »Sie alle werden in dieser Armee wie auch ich einst dazu ausgebildet, Ihre Uniform zu ehren. Zu kämpfen, mit einem Gewehr umzugehen, stark zu sein, hinauszugehen und so viele verdammte Feinde zu töten wie möglich.« Seine Stimme schwillt mit den letzten Worten schnell und wütend an, und ich denke: Da ist er, genau so ein Mann ist er. »Aber manchmal«, fügt er hinzu, »werden Sie sich in einer Situation wiederfinden, in der Sie keine Waffe mehr haben, genauso wie Ihr Gegner auch. Plötzlich stehen Sie mitten im Niemandsland, und Fritz taucht vor Ihnen auf. Ihr Gewehr ist verschwunden, Ihr Bajonett ist weg, und Sie haben nur noch Ihre Fäuste, um sich zu verteidigen. Eine erschreckende Aussicht, meine Herren, nicht wahr? Wenn Sie in so eine Situation kämen, Shields«, sagt er und richtet sich an den Rekruten in unseren Reihen, »was, denken Sie, würden Sie dann tun?«
    »Da bleibt mir kaum eine Wahl, Sir«, sagt Shields. »Ich würde es ausfechten.«
    »Genau«, sagt der Sergeant. »Sehr gut, Shields. Es ausfechten. Nur Sie beide«, und damit nickt er in Richtung Wolf und Rich. »Stellen Sie sich vor, Sie wären in dieser Situation.«
    »Sir?«, fragt Rich.
    »Fechtet es aus, Jungs«, sagt der Sergeant fröhlich. »Sie sind der Engländer, Rich, da Sie einen gewissen Witz gezeigt haben. Wolf, Sie sind der Feind. Fechten Sie es aus. Lassen Sie uns sehen, was in Ihnen steckt.«
    Rich und Wolf wenden sich

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