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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Verachtung in seine Stimme. »Bist du gerade achtzehn geworden?«
    »Ja«, lüge ich. Tatsächlich werde ich erst in fünf Monaten achtzehn, habe aber nicht die Absicht, das hier kundzutun. Ich lege keinen Wert darauf, noch vor Ende der Woche wieder Steine zu schleppen.
    »Ich wette, du konntest es nicht abwarten. Ich wette, das war das Geburtstagsgeschenk, das du dir selbst gemacht hast, zum Sergeant Major zu marschieren: Ja, Sir, nein, Sir, alles, was Sie sagen, Sir, und ihm anzubieten, dich ans Kreuz zu schlagen.«
    »Ich wäre schon früher gegangen«, erkläre ich ihm. »Aber sie wollten mich wegen meines Alters noch nicht.«
    Er lacht, verfolgt die Sache jedoch nicht weiter, sondern schüttelt nur den Kopf, als sei ich es nicht wert, dass er seine Zeit mit mir verschwendet. Er ist ein Sonderling, dieser Wolf.
    Einen Augenblick später geht eine Bewegung durch die Reihen, und als ich mich umdrehe, sehe ich drei Männer in schweren, gestärkten Uniformen aus einem nahen Gebäude treten und auf uns zukommen. Alles an ihnen atmet Autorität, und ich verspüre ein unerwartetes Erschauern. Beklommenheit sicherlich, vielleicht auch Verlangen.
    »Guten Tag, meine Herren«, sagt der Mann in der Mitte, der älteste von den dreien, der kleinste, der fetteste, der, dem das alles hier untersteht. Sein Ton ist freundlich, was mich überrascht. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen? Wir sind noch nicht ganz da, wo wir sein sollten.«
    Wir bilden eine Meute und schieben uns hinter ihm her, und ich nehme die Gelegenheit wahr, mir die anderen etwas genauer anzusehen, von denen die meisten rauchen und sich leise unterhalten. Ich ziehe mein eigenes Zigarettenetui aus der Tasche und biete Wolf eine an, der nicht zögert.
    »Danke«, sagt er und fragt zu meinem Verdruss gleich noch nach einer zweiten für später. Ich zucke verärgert mit den Schultern, sage aber, na klar, und er zieht eine zweite Zigarette unter dem Band hervor und steckt sie sich hinters Ohr. »Sieht ganz so aus, als ob der hier das Sagen hat«, bemerkt er und nickt zu dem Sergeant hinüber. »Ich muss mit ihm reden. Nicht dass er mir zuhören wird. Aber ich werde ihm sagen, was ich denke, das verspreche ich dir.«
    »Was sagen?«, frage ich.
    »Sieh dich um, Sadler«, antwortet er. »Nur eine Handvoll dieser Leute wird in sechs Monaten noch leben. Wie findest du das?«
    Wie soll ich das finden? Ich denke nicht darüber nach. Ich weiß, dass Männer sterben – wie viele, steht jeden Tag in der Zeitung. Aber das sind nur Namen, Buchstabenfolgen, die eine Nachricht ergeben. Ich kennen keinen von ihnen. Die Namen bedeuten mir noch nichts.
    »Hör auf meinen Rat«, sagt Wolf. »Folge mir und mach, dass du hier wieder rauskommst, wenn’s geht.«
    Wir stehen jetzt mitten auf dem Paradeplatz, und der Sergeant und seine zwei Corporals drehen sich um und sehen uns an. Wir stehen in keiner besonderen Formation, und der Sergeant mustert uns ohne ein Wort, bis wir automatisch ein Rechteck bilden, zehn Mann breit und vier Mann tief, jeder von seinen Nebenmännern nicht mehr als eine Armlänge entfernt.
    »Gut«, sagt der Sergeant. »Das ist ein guter Anfang, meine Herren. Zunächst einmal will ich Sie in Aldershot willkommen heißen. Einige von Ihnen wollen hier sein, einige nicht, wie ich weiß. Wir, die wir seit vielen Jahren im Dienst stehen, teilen Ihre Gefühle und haben Verständnis für sie. Aber das alles ist nun nicht mehr wichtig. Was Sie denken oder fühlen, zählt nicht mehr. Sie sind hier, um zu Soldaten ausgebildet zu werden, und genau das wird geschehen.«
    Er spricht betont ruhig und bricht so mit dem bekannten Bild eines Ausbildungs-Sergeants, vielleicht, um uns aufzulockern. Vielleicht, um uns damit zu überraschen, wie schnell er sich später gegen uns wendet.
    »Mein Name ist Sergeant James Clayton«, verkündet er, »und während der nächsten Wochen, während Ihrer Zeit hier, ist es meine Aufgabe, Soldaten aus Ihnen zu machen, was Ihnen genauso viel Verstand wie Stärke und Durchhaltevermögen abverlangen wird.« Er lässt den Blick schweifen und verengt die Augen. Seine Zunge drückt die Wange heraus, während er die Männer vor sich betrachtet, die fast alle noch Jungen sind.
    »Sie, Sir«, sagt er, hebt seinen Stock und deutet damit auf einen jungen Burschen in der Mitte der ersten Reihe, der sich bereits im Zug durch seine Schlagfertigkeit und seinen Sinn für spritzigen Humor hervorgetan hat. »Ihren Namen, bitte?«
    »Mickey Rich«, sagt der Kerl

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