Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
aber dann wird er aggressiv, und ich glaube, sie haben es aufgegeben. Sie verstehen nicht, warum sie ihn bei Laune halten sollen, schließlich haben sie sich nichts vorzuwerfen.«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich sah, worauf sie hinauswollte, und konnte mir vorstellen, dass er nicht glücklich mit der Situation war. Trotzdem gelang es mir nicht, Mitgefühl für ihn aufzubringen, bloß weil er den Gräben entkommen war und sich durch sein Glück entmannt fühlte.
»Und weil er drüben nicht mitkämpfen durfte, geht er jetzt hier auf die Leute los«, sagte ich. »Was habe ich ihm denn getan?«
»Er dachte eben, da wäre was zwischen uns«, sagte sie, »und er kann fürchterlich eifersüchtig sein.«
»Aber er war es doch, der sich von Ihnen getrennt hat!«, sagte ich und bedauerte sogleich die wenig galante Art meiner Bemerkung.
Sie sah mich finster an. »Ja, das weiß ich, danke, aber das bedauert er heute.«
»Und Sie nicht?«
Sie zögerte nur einen kurzen Moment, bevor sie den Kopf schüttelte. »Ich bedauere, dass es zu der Situation gekommen ist, die ihm das Gefühl gab, sich von mir trennen zu müssen«, sagte sie, »aber nicht, dass er es dann getan hat. Klingt das irgendwie verständlich?«
»Irgendwie«, sagte ich.
»Aber jetzt will er mich zurück, und das ist schwer zu ertragen. Er hat es mir geschrieben, er verfolgt mich durch die Stadt und kommt zu uns nach Hause, wann immer er zu viel getrunken hat, was mehrere Male in der Woche der Fall ist. Ich habe ihm gesagt, dass es aussichtslos ist und er es genauso gut aufgeben kann, aber er ist stur wie ein Maultier. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Mit seinen Eltern kann ich nicht reden, die wollen nichts mit mir zu tun haben, und meinen Vater kann ich auch nicht bitten, ihn zur Vernunft zu bringen. Für den existiert Leonard nicht mehr.« Sie holte tief Luft, bevor sie sagte, was wir beide dachten. »Was mir fehlt, ist mein Bruder.«
»Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen.«
»Aber was denn? Sie kennen weder ihn noch die Umstände.«
»Nein, aber wenn es Sie so mitnimmt …«
»Ich will nicht unhöflich sein, Tristan«, sagte Marian und sah mich mit einem Ausdruck an, der deutlich machte, dass sie nicht bevormundet werden wollte, »aber Sie kennen mich kaum. Und ich brauche Ihren Schutz nicht, so dankbar ich dafür bin, dass Sie ihn mir anbieten.«
»Natürlich nicht. Ich dachte nur, als Freund Ihres Bruders …«
»Aber verstehen Sie denn nicht?«, sagte sie. »Das würde es letztlich nur noch schlimmer machen. Es waren seine Eltern. Sie haben ihn fürchterlich unter Druck gesetzt. Sie haben einen Gemüseladen hier in der Stadt und sind auf den Zuspruch ihrer Kunden angewiesen. Natürlich wussten alle, dass Leonard und ich heiraten wollten, und so hat der Großteil der Stadt nach Wills Tod nicht mehr bei den Leggs eingekauft. Sie brauchten jemanden, an dem sie es auslassen konnten, und mein Vater gab nicht das richtige Ziel ab. Schließlich ist er ihr Priester. Gewisse Konventionen gilt es einzuhalten, und so haben sie sich die Leggs ausgesucht.«
»Marian«, sagte ich, wandte den Blick ab und wünschte, es gäbe eine Bank in der Nähe, auf der wir eine Weile sitzen und schweigen könnten. Ich empfand das dringende Bedürfnis nach Ruhe.
»Nein, Tristan«, sagte sie. »Lassen Sie mich ausreden. Ich denke, Sie sollten das wissen. Eine Zeit lang haben wir versucht, einfach weiterzumachen, aber es war offensichtlich, dass das nicht ging. Die Leggs wichen mir aus, die Stadt wich den Leggs aus – es war schrecklich, alles, und so entschied sich Leonard, dass es genug war, und beendete unsere Beziehung, für seine Familie. Natürlich verbreitete sein Vater die frohe Botschaft innerhalb von Stunden in der ganzen Stadt, und schon am nächsten Tag kamen alle wieder in seinen Laden. Das Geschäft florierte wie früher. Hurra! Da machte es nichts, dass ich die schlimmste Zeit meines Lebens durchzustehen hatte, um meinen verlorenen Bruder trauerte, und der Mensch, den ich in dieser Situation am meisten gebraucht hätte, sich plötzlich entschieden hatte, meinen Anblick nicht mehr ertragen zu können. Und jetzt, da ausreichend Gras über die Sache gewachsen ist und die Leute nicht mehr darüber reden wollen, hat der Herr beschlossen, dass er mich zurückwill. Alle wollen mit einem Mal so tun, als wäre nichts gewesen und als hätte es diesen Will Bancroft nie gegeben, der mit ihnen aufgewachsen ist, mit ihnen auf der Straße gespielt hat und mit
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