Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
kannst.«
»Verschwinde, Leonard«, sagte Marian und wandte sich zu ihm um. »Verschwinde, bevor ich die Polizei rufe.«
Er lachte, schien durch ihre Drohung aber leicht aus der Fassung gebracht und war vielleicht auch verärgert, dass ich mich weigerte, aufzustehen und gegen ihn anzutreten. Er schüttelte den Kopf und spuckte auf die Erde. Der Schleimklecks landete kaum drei Handbreit von meinem linken Schuh. »Feigling«, sagte er und sah mich verächtlich an. »Kein Wunder, dass sie auf dich fliegt. Auf Feiglinge sind die Bancrofts geeicht.«
»Geh einfach, bitte«, sagte Marian ruhig. »Himmel noch mal, Leonard, kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Ich will dich nicht.«
»Das ist noch nicht vorbei«, sagte er und wandte sich ab. »Glaub nicht, dass es damit vorbei ist.«
Er warf uns noch einen letzten Blick zu, schüttelte abfällig den Kopf und verschwand in einer der Seitenstraßen. Ich wandte mich verwirrt Marian zu, die das Gesicht in den Händen vergraben hatte und den Tränen nahe war.
»Es tut mir so leid«, sagte sie. »Es tut mir so leid, Tristan.«
Später, als ich wieder auf den Beinen war, gingen wir Seite an Seite durch die Innenstadt von Norwich. Meine Wange fühlte sich noch immer leicht geschwollen an, aber es war nicht wirklich etwas passiert. Mr Pynton würde mich am nächsten Tag zweifellos missbilligend ansehen, seinen Kneifer von der Nase nehmen und einen tiefen Seufzer hören lassen. Der Übermut der Jugend, würde er denken.
»Sie müssen einen schrecklichen Eindruck von mir haben«, sagte Marian nach längerem Schweigen.
»Warum sollte ich das?«, fragte ich. »Sie haben mich doch nicht geschlagen.«
»Nein, aber es war mein Fehler. Wenigstens zum Teil.«
»Sie kennen den Mann offenbar.«
»O ja«, sagte sie mit Bedauern in der Stimme. »Ja, ich kenne ihn gut.«
»Er scheint zu denken, dass er eine Art Anrecht auf Sie hat.«
»Das hatte er früher einmal«, sagte sie. »Wir waren ein Paar, wissen Sie.«
»Meinen Sie das ernst?«, fragte ich überrascht, denn obwohl ich mir das schon zusammengereimt hatte, konnte ich mir Marian doch kaum an der Seite dieses Grobians vorstellen, genauso wenig, wie ich mir einen Mann vorstellen konnte, der diese Frau, nachdem er sich ihre Hand einmal gesichert hatte, je wieder loslassen würde.
»Jetzt tun Sie nicht so schockiert«, sagte sie mit einer leisen Amüsiertheit in der Stimme, »auch ich habe zu meiner Zeit meine Verehrer gehabt.«
»Nein, das meinte ich nicht …«
»Wir waren verlobt und wollten heiraten. So lautete wenigstens der Plan.«
»Und dann ging etwas schief?«
»Nun, ganz offenbar, Tristan«, sagte sie und sah mich für einen Moment gereizt an. »Es tut mir leid, ich sollte meine Wut nicht an Ihnen auslassen. Es ist nur … es ist mir äußerst peinlich, dass er Sie so angegriffen hat, und ich schäme mich dafür.«
»Ich sehe nicht, warum Sie das sollten«, sagte ich. »Mir scheint, dass Sie die Sache gerade noch rechtzeitig beendet haben. Sonst wären Sie heute mit diesem groben Klotz verheiratet. Wer weiß, was für ein Leben Sie da führen müssten.«
»Nur dass ich gar nicht diejenige war, die unsere Beziehung beendet hat«, wandte sie ein. »Das war Leonard. Ach, jetzt sehen Sie mich bitte nicht schon wieder so an. Sicher hätte auch ich ihn über kurz oder lang zum Teufel gejagt, mir wäre gar keine andere Wahl geblieben. Aber er ist mir nun mal zuvorgekommen, was ich ewig bedauern werde. Und Sie wissen natürlich auch, wo der Grund für das alles lag?«
»War es wegen Will?«, fragte ich, und mit einem Mal wurde mir alles klar.
»Ja.«
»Er hat Ihnen den Laufpass gegeben, weil ihm nicht gefiel, was die Leute sagen würden?«
Sie zuckte mit den Schultern, als sei es ihr peinlich, selbst noch nach all der Zeit.
»Und mich halten Sie für einen Hochstapler!«, sagte ich, worauf sie lachen musste. Sie sah hinüber zum Markt, wo etwa vierzig Stände in einem engen Rechteck beisammenstanden, jeder einzelne mit einer leuchtend bunten Plane als Dach. Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch wurden zum Verkauf angeboten. Die Leute, meist Frauen, drängten sich um die Stände, hielten ihre Einkaufstaschen bereit und gaben den Händlern das wenige Geld, das sie hatten. Im Übrigen schienen alle in lange, klagende Gespräche vertieft.
»So übel war er gar nicht«, sagte Marian. »Ich habe ihn tatsächlich einmal geliebt. Vor all diesem … vor …«
»Vor dem Krieg, meinen Sie?«
»Ja, vor dem Krieg. Da war er ein
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