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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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gearbeitet habe, die jüngeren, meine ich, die sagen, sie hätten erst begriffen, was da vor ihnen lag, als sie drüben ankamen.«
    »Genau so war es«, sagte ich. »Die Zeit im Ausbildungslager fühlte sich kaum anders an als ein hartes Fußball- oder Rugbytraining in der Schule. Vielleicht haben wir da noch geglaubt, wenn wir erst alles gelernt hätten, was es zu lernen gab, würden wir irgendwann ins Feld geschickt, da gäbe es ein saftiges Scharmützel mit Händeschütteln hinterher, und dann ginge es zurück in den Umkleideraum, wo frische Orangen und eine schöne heiße Dusche auf uns warteten.«
    »Das wissen Sie heute besser«, murmelte sie.
    »Ja.«
    Einer der Kellner kam herüber und räumte unsere Teller ab. Marian klopfte eine Weile auf den Tisch, bevor sie zu mir aufsah. »Sollen wir gehen, Tristan?«, fragte sie. »Es ist schrecklich warm hier drinnen, finden Sie nicht auch? Ich habe das Gefühl, ich werde gleich ohnmächtig.«
    »Ja, sicher«, sagte ich. Diesmal zahlte sie, und als wir auf die Straße hinaustraten, folgte ich ihr einfach. Sie lief voraus, und ich nahm an, sie habe bereits eine Idee, wohin wir als Nächstes gehen würden.
    »Wie lange hat es gedauert, bis sich seine Neigungen zeigten?«, fragte sie, während wir dahinspazierten.
    Ich sah sie überrascht an und war unsicher, worauf sie hinauswollte. »Wie bitte?«, fragte ich.
    »Mein Bruder«, antwortete sie. »Ich wüsste nicht, dass er vorher schon pazifistische Tendenzen gezeigt hätte. Wenn ich mich recht erinnere, ist er in der Schule in die fürchterlichsten Prügeleien geraten. Aber seine letzten Briefe, als er sich entschlossen hatte, nicht mehr zu kämpfen, waren voller Wut und Enttäuschung darüber, was drüben vorging. Er war so ernüchtert.«
    »Es ist schwer zu sagen, wann es angefangen hat«, antwortete ich und überlegte. »Im Gegensatz zu dem, was die Zeitungen und Politiker einen glauben zu machen versuchten, wollte nicht jeder Soldat, der nach drüben geschickt wurde, auch kämpfen. Wir hatten alle unseren eigenen Platz in einem breiten Spektrum zwischen Pazifismus und erbarmungslosem Sadismus. Es gab blutrünstige Kerle, extrem patriotisch gesinnt, die, wenn sie könnten, heute noch drüben wären, um Deutsche umzubringen, und es gab in sich gekehrte Männer, die ihre Pflicht taten, alles, was ihnen befohlen wurde, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen. Und über Wolf haben wir schon gesprochen …«
    »Den ermordeten Verweigerer?«
    »Ja, vielleicht ist er ermordet worden«, sagte ich und spürte immer noch einen gewissen Unwillen, es zu bestätigen. »Ich meine, Wolf hat Will in seinem Denken zweifellos beeinflusst.«
    »Die beiden waren also auch eng befreundet?«
    »Nein, nicht eng«, sagte ich. »Aber er hat Will fasziniert, das ist sicher.«
    »Und Sie, Tristan, hat er Sie auch fasziniert?«
    »Wolf?«
    »Ja.«
    »Nicht im Geringsten. Ich habe ihn für einen Angeber gehalten, wenn ich ehrlich bin. Die schlimmste Sorte eines Verweigerers.«
    »Es überrascht mich, Sie das sagen zu hören.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Nun, nach allem, wie Sie die Dinge sonst beurteilen, klingt es für mich eher, als hätten Sie dem, was dieser Wolf gesagt hat, zustimmen müssen. Ich weiß, wir haben uns heute erst kennengelernt, aber Sie kommen mir nicht gerade wie der große Kämpfer vor. Sie sind nicht mal auf Leonard losgegangen, als er Sie geschlagen hat. Was hat Sie davon abgehalten, sich so wie mein Bruder für Wolf zu interessieren?«
    »Also, er war … Ich meine, wenn Sie ihn gekannt hätten …« Ich hatte zu kämpfen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich keine Antwort auf ihre Frage. Ich rieb mir die Augen und fragte mich, ob ich tatsächlich glaubte, was ich über Wolf gesagt hatte. War er ein Angeber gewesen, oder hatte ich ihn nur deshalb verachtet, weil Will sich so gut mit ihm verstand? War ich ungerecht? War es nur Eifersucht, die mich einen anständigen, nachdenklichen Kerl verdammen ließ? »Wissen Sie, tief im Herzen mögen wir ähnliche Auffassungen gehabt haben«, sagte ich endlich, »aber wir haben einfach nicht zusammengepasst. Und dann starb er, wurde getötet, und das hat Ihren Bruder sehr getroffen.«
    »Und so hat es angefangen?«
    »Ja. Nur dürfen Sie nicht vergessen, dass das noch hier in England war. Richtig bewusst wurde uns das alles eigentlich erst in Frankreich. Es gab da einen Vorfall, der Wills Entscheidung, die Waffe niederzulegen, sicher begünstigt hat. Obwohl ich im Nachhinein nicht

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