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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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erlauben. Aber glauben Sie mir, die Dinge sind für Sie nicht so schwierig wie für uns.«
    »Die letzten fünf Jahre könnten Ihre Aussage Lügen strafen.«
    Jetzt war es an ihr, rot zu werden. »Ja, natürlich, da haben Sie recht«, sagte sie. »Aber lassen Sie den Krieg einmal für einen Moment außer Acht und betrachten Sie unsere generelle Situation. Die Art, wie Frauen in diesem Land behandelt werden, ist fast unerträglich. Und nebenbei bemerkt, glauben Sie nicht, dass die Hälfte von uns gerne an der Seite der kämpfenden Männer in den Gräben dabei gewesen wäre, wenn man uns gelassen hätte? Ich wäre eine der Ersten gewesen.«
    »Ich glaube manchmal, dass es klüger ist, das Handeln und Diskutieren den Männern zu überlassen.«
    Marian starrte mich an und hätte nicht überraschter sein können, wäre ich auf den Tisch gesprungen und hätte mich dazu hinreißen lassen, Pack Up Your Troubles in Your Old Kit Bag zu singen. »Wie bitte?«, fragte sie kalt.
    »Nein«, sagte ich und musste lachen. »Das sind nicht meine Worte, das stammt aus Wiedersehen in Howards End . Kennen Sie Edward Forster?«
    »Nein«, antwortete sie. »Und ich will ihn auch gar nicht kennenlernen, wenn das die Art Unsinn ist, die er verbreitet. Das klingt ja nach einem ganz widerwärtigen Vertreter.«
    »Es ist allerdings eine Frau, die diesen Satz sagt. Mrs Wilcox formuliert ihn bei einem Essen zu ihren Ehren und entsetzt die ganze Gesellschaft mit ihren unliebsamen Ansichten, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keine modernen Romane lese«, sagte sie. »Überlasst das Handeln und Diskutieren den Männern, also wirklich! So was habe ich ja noch nie gehört. Diese Mrs Wilton …«
    »Wilcox.«
    »Wilton, Wilcox, wie immer sie heißt. Sie verrät die Frauen insgesamt mit dieser Aussage.«
    »Dann wird Ihnen auch nicht gefallen, was sie als Nächstes sagt.«
    »Na, los doch. Schockieren Sie mich.«
    »Wortwörtlich weiß ich es nicht mehr, aber es läuft darauf hinaus, dass es gewichtige Argumente gegen das Frauenstimmrecht gibt. Sie sagt, dass sie nur zu dankbar dafür ist, selbst nicht wählen zu dürfen.«
    »Unglaublich«, sagte Marian und schüttelte den Kopf. »Ich bin entsetzt, Tristan. Ich bin einfach entsetzt.«
    »Nun, kurz darauf stirbt sie und nimmt ihre unliebsamen Ansichten mit ins Grab.«
    »Woran stirbt sie?«
    »An ihren Ansichten, nehme ich an.«
    »Wie mein Bruder.«
    Darauf sagte ich nichts. Ich weigerte mich, ihre Bemerkung zur Kenntnis zu nehmen, und sie sah mich lange an, bevor sie den Blick abwandte und ihrem Gesicht erlaubte, sich zu entspannen.
    »Ich war selbst in der Suffragettenbewegung aktiv«, sagte sie nach einer Weile.
    »Das wundert mich nicht«, antwortete ich. »Was genau haben Sie gemacht?«
    »Oh, nichts Großes. Ich habe an den Märschen teilgenommen und Informationszettel in Briefkästen geworfen, solche Dinge. Ich habe mich nie ans Geländer des Parlaments gekettet oder draußen vor Asquiths Haus gestellt und Gleichheitsparolen geschrien. Mein Vater hätte das niemals erlaubt. Er glaubt zwar an die Bewegung, und das sehr entschieden, aber er ist auch der Überzeugung, dass man seine Würde bewahren muss.«
    »Am Ende haben Sie den Sieg davongetragen«, sagte ich. »Sie haben das Stimmrecht bekommen.«
    »So ist es eben nicht , Tristan«, sagte sie scharf. »Ich darf nicht wählen. Erst wenn ich dreißig bin, und auch dann nur, wenn ich einen Haushalt führe oder einen Mann mit einem Haushalt geheiratet habe. Oder einen Universitätsabschluss vorweisen kann. Sie dagegen dürfen schon wählen, obwohl Sie jünger sind als ich. Ist das fair?«
    »Sicher nicht«, sagte ich. »Übrigens wollte ich gerade zu genau diesem Thema eine Abhandlung veröffentlichen, geschrieben von einem Mann, wenn Sie das glauben können, der die Ungleichheit des Frauenwahlrechts darlegt. Sie war ausgesprochen pointiert und hätte einen ziemlichen Wirbel verursacht, da bin ich sicher.«
    »Aber Sie haben sie nicht veröffentlicht?«
    »Nein«, musste ich eingestehen. »Mr Pynton wollte nichts damit zu tun haben. Er ist nicht fortschrittlich genug, wissen Sie.«
    »Da haben wir es also. Sie haben Ihr Recht, wir müssen es erst noch erringen. Es ist schon erstaunlich, dass alle bereit sind, außerhalb unserer Grenzen für die Rechte von Ausländern zu kämpfen, sich dabei aber nicht um die Menschen im eigenen Land kümmern. Doch ich höre besser auf davon. Wenn ich erst einmal mit den

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