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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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ausgemacht? So wie es mit uns geendet hatte, wohl eher nicht, dachte ich. Nach dem, was zwischen Peter und mir geschehen war. Nachdem ich solch einen Narren aus mir gemacht hatte. Nach diesem Fehler, der mich mein Zuhause gekostet hatte. Was hatte mein Vater gesagt, als ich gegangen war?
    »Es wäre das Beste für uns alle, wenn dich die Deutschen gleich erwischten.«
    Peter und ich waren von Kindesbeinen an Freunde gewesen. Es gab immer nur uns zwei, bis zu dem Tag, als die Carters kamen. Mitsamt ihrer Möbel und ihren Teppichen nahmen sie das Haus neben dem Laden meines Vaters in Besitz. Zwei Türen weiter wohnte Peter.
    »Hallo, Jungs«, sagte Mr Carter, ein übergewichtiger Fahrzeugmechaniker, dem das Haar in Büscheln aus den Ohren und über den Kragen des zu engen Hemdes quoll. Er hielt ein halbes Sandwich in der Hand, stopfte es sich in den Mund und sah zu, wie wir den Fußball zwischen uns hin- und herspielten. »Schießt mal rüber!«, rief er und überhörte das verzweifelte Seufzen seiner Frau. »Nun kommt schon, Jungs. Schießt mal her!«
    Peter hielt einen Moment inne und sah Mr Carter an, bevor er den Ball mit der Spitze seines Schuhs sauber in die Luft hob und mit beneidenswerter Präzision in dessen Armen landen ließ.
    »Himmel noch mal, Jack«, sagte Mrs Carter.
    Mr Carter zuckte mit den Schultern und ging hinüber zu seiner Frau, die so korpulent war wie er, und in diesem Moment erschien auch Sylvia. Dass dieses Paar solch ein Wesen hatte zeugen können, war eine Überraschung.
    »Die muss adoptiert sein«, flüsterte Peter mir ins Ohr. »Die kann nicht von denen sein.«
    Bevor ich etwas dazu sagen konnte, kam meine eigene Mutter in ihrem besten Sonntagsstaat aus der Wohnung herunter. Sie musste gewusst haben, dass die neuen Nachbarn heute ankommen würden, hatte nach ihnen Ausschau gehalten und begann sie gleich voller Neugier willkommen zu heißen. Der Schlagabtausch darum, wer sich nun glücklich schätzen durfte, neben wem zu wohnen, hatte begonnen. Währenddessen starrte Sylvia Peter und mich an, als gehörten wir zu einer neuen Gattung, die nichts mit den Jungs zu tun hatte, die sie aus ihrem alten Viertel kannte.
    »Da werde ich immer Fleisch im Haus haben«, sagte Mrs Carter und nickte zu unserem Schaufenster hinüber, in dem ein paar Kaninchen an Stahlhaken hingen. »Bewahren Sie die immer so draußen auf?«
    »Draußen?«, fragte meine Mutter.
    »So offen im Schaufenster, wo jeder sie sehen kann.«
    Meine Mutter zog die Brauen zusammen, sie wusste wohl nicht, wie eine Metzgerei sonst ihre Waren ausstellen sollte, sagte jedoch nichts.
    »Wenn ich ehrlich bin«, sagte Mrs Carter, »bin ich ja sowieso eher eine Fischesserin.«
    Die Unterhaltung langweilte mich und ich versuchte, Peter dazu zu bringen, unser Spiel fortzusetzen, doch der machte sich von mir los und schüttelte den Kopf. Ein Dutzend Mal ließ er den Ball auf und ab hüpfen, stumm beobachtet von Sylvia. Dann wandte sie den Blick mir zu, und ihre Lippen bewegten sich ganz leicht nach oben. Es war die Andeutung eines Lächelns, bevor sie wegsah und nach drinnen ging, um ihr neues Zuhause zu erkunden.
    Was mich anging, war die Sache damit erledigt.
    Aber es dauerte nicht lange, bis Sylvia zu einer festen Größe in unserem Leben geworden war. Peter war hingerissen von ihr, und es wurde klar, dass ich, wenn ich versuchte, sie auszuschließen, mich selbst aus Peters Gesellschaft ausschloss, was ein äußerst schmerzhafter Gedanke war.
    Und dann geschah etwas ganz und gar Merkwürdiges. Vielleicht lag es an Peters offensichtlicher Hingabe an sie, auf jeden Fall begann Sylvia, all ihre Aufmerksamkeit auf mich zu richten.
    »Sollen wir Peter nicht holen?«, fragte ich, als sie an meine Tür klopfte. Ich war voller Ideen, wie wir den Nachmittag verbringen könnten.
    Schnell schüttelte sie den Kopf. »Heute nicht, Tristan«, sagte sie. »Peter kann ein solcher Langweiler sein.«
    Es machte mich wütend, wenn Sylvia ihn so beleidigte, trotzdem sagte ich nichts, wahrscheinlich hat mir ihre Aufmerksamkeit geschmeichelt. Sie hatte schließlich etwas Exotisches an sich, schon weil sie nicht in Chiswick aufgewachsen war und eine Tante in Paris hatte, zudem war sie wirklich eine Schönheit. Alle Jungen wollten mit ihr gehen. Peter versuchte verzweifelt, ihre Gunst zu erwerben. Sie aber wählte mich. Wie konnte ich da nicht geschmeichelt sein?
    Peter merkte das natürlich und war fast verrückt vor Eifersucht. Was mich vor ein ziemliches Problem

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