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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Straße stehen, überrascht von dem Satz, den ich da sagen wollte.
    »Was hätten Sie niemals, Tristan?«, fragte sie.
    »Weitermachen können, würde ich sagen«, antwortete ich in dem Versuch, die Situation zu retten, und sie sah mich an, verengte die Augen ganz leicht und schien zu argwöhnen, dass ich eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. Aber aus welchem Grund auch immer hakte sie nicht weiter nach. »Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte ich und blickte mich um. Wir befanden uns längst nicht mehr im Zentrum der Stadt, sondern bewegten uns auf Tombland und die Kathedrale zu, wo ich den Tag begonnen hatte. »Sollten wir nicht lieber umdrehen? Was denken Sie?«
    »Wie ich vorhin schon erwähnt habe, gibt es da etwas, das Sie für mich tun könnten«, sagte sie. »Erinnern Sie sich?«
    »Doch, ja«, erwiderte ich. Als wir das Café verließen, hatte sie das gesagt, doch ich hatte mir nicht viel dabei gedacht. »Deshalb bin ich schließlich hier. Wenn es etwas gibt, womit ich es Ihnen leichter machen kann …«
    »Es geht dabei nicht um mich«, sagte sie, »sondern um meine Eltern.«
    »Ihre Eltern?« Ich sah mich um und begriff, worauf sie hinauswollte. »Sie wohnen doch nicht hier in der Nähe?«
    »Das Pfarrhaus ist gleich dort unten«, sagte sie und nickte zur Biegung am Ende der Straße hin, wo ein schmaler Weg zu einer Sackgasse führte. »Ich bin in dem Haus aufgewachsen, Will ist dort aufgewachsen. Und meine Eltern und ich wohnen noch heute dort.«
    Ich blieb stehen, als wäre ich gegen eine Wand gelaufen. »Meine Tochter hat etwas arrangiert«, hatte ihr Vater gesagt, als ich ihm zufällig an Edith Cavells Grab begegnet war. »Es tut mir leid«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht.«
    »Aber Sie wissen doch gar nicht, worum es geht.«
    »Sie wollen, dass ich mit Ihrer Mutter und Ihrem Vater spreche. Sie wollen, dass ich ihnen erzähle, was geschehen ist. Es tut mir leid, Marian, aber nein. Das ist unmöglich.«
    Sie starrte mich an. Ihre Stirn legte sich in eine Reihe feiner Falten. »Aber warum denn nicht?«, fragte sie. »Wenn Sie mit mir darüber reden können, warum dann nicht mit meinen Eltern?«
    »Das ist etwas ganz anderes«, sagte ich, ohne dass ich genau hätte erklären können, warum. »Sie sind Wills Schwester. Ihre Mutter hat ihn geboren. Ihr Vater … Nein, es tut mir leid, Marian. Ich habe einfach nicht die Kraft dafür. Bitte, bringen Sie mich wieder weg von hier. Lassen Sie mich nach Hause. Bitte.«
    Ihr Ausdruck wurde weicher. Sie sah, wie schwer es für mich war, und fasste mich bei den Armen, direkt über den Ellbogen. »Tristan«, sagte sie mit eindringlicher Stimme, »Sie wissen nicht, wie viel es mir bedeutet, mit jemandem zusammen zu sein, der so gut von meinem Bruder spricht wie Sie. Die Leute hier«, sie nickte mit dem Kopf die Straße hinauf und hinunter, »sie erwähnen ihn mit keinem Wort, das habe ich Ihnen schon erzählt. Sie schämen sich für ihn. Es würde meinen Eltern ungeheuer helfen, Sie kennenzulernen. Nur zu hören, wie wichtig Will Ihnen war.«
    »Bitte, drängen Sie mich nicht, das zu tun«, flehte ich. Panik stieg in mir auf, als ich begriff, dass es fast keinen anderen Ausweg aus dieser Situation gab, als wegzulaufen. »Ich wüsste nicht, was ich ihnen sagen sollte.«
    »Dann sagen Sie eben nichts«, antwortete sie. »Sie müssen nicht über Will sprechen, wenn Sie nicht wollen. Aber lassen Sie die beiden Sie kennenlernen. Allein zu wissen, dass da jemand vor ihnen sitzt, der mit ihrem Sohn befreundet war. Meine Eltern sind mit Will drüben gestorben, Tristan. Verstehen Sie das? Sie sind vor derselben Wand erschossen worden wie mein Bruder. Denken Sie an Ihre eigene Familie, Ihren Vater, Ihre Mutter. Wenn Ihnen da drüben etwas zugestoßen wäre, glauben Sie nicht, dass Ihre Eltern sich dann gewünscht hätten, ihren Frieden damit machen zu können? Ihre Eltern müssen Sie so lieben, wie meine Eltern Will geliebt haben. Bitte, nur für einen kurzen Moment. Eine halbe Stunde, nicht länger. Sagen Sie Ja.«
    Ich sah die Straße hinunter und wusste, dass mir keine Wahl blieb. Tu es , dachte ich. Sei stark. Bringe es hinter dich und fahre nach Hause. Und erzähle ihr nicht, wie es wirklich zu Ende gegangen ist .
    Aber noch während ich das dachte, schwindelte mir wegen der Worte, die sie über meine Mutter und meinen Vater gesagt hatte. Was, wenn ich drüben tatsächlich gestorben wäre?, fragte ich mich. Hätte es ihnen etwas

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