Das spanische Erbe
lieber auf Menorca geblieben.”
“Dann möchte ich Ihnen einen Rat geben, wenn ich darf. Folgen Sie Ihrem Herzen.”
Annalisa musterte den Mann verblüfft. Damit hatte sie nicht gerechnet. Das klang ja beinahe romantisch!
“Sie sind überrascht, Miss Wilson, und das wundert mich nicht. Aber ich habe es schon zu oft erlebt, dass die Menschen verpassten Chancen hinterhertrauern und kein glückliches Leben mehr führen können. Gestalten Sie Ihr Schicksal selbst – noch haben Sie die Möglichkeit dazu!”
“Vielen Dank, Mr. Patterson”, erwiderte sie lächelnd, “ich werde mich daran halten. Wenn ich meinen Traum doch noch verwirklichen kann, lasse ich es Sie wissen.”
“Ich freue mich schon darauf, von Ihnen zu hören.” Der Anwalt brachte sie zur Tür. “Sie schaffen es, ganz bestimmt.”
So überzeugt davon bin ich nicht, dachte sie, als sie die schmale Treppe zum Ausgang hinunterging. Mr. Patterson sah wohl alles zu sehr durch die rosarote Brille!
Ramon wartete geduldig neben einer großen Limousine auf sie. Er war wirklich hartnäckig. “Du bist ja noch da”, sagte sie lächelnd.
“Hast du gedacht, ich würde dich im Stich lassen?” Er öffnete ihr die Beifahrertür. “Wie war das Treffen?”
“Zum Ende hin sehr positiv”, erwiderte sie ehrlich.
“Das freut mich.” Ramon ließ den Motor an und fädelte sich mit dem Wagen in den Verkehr ein.
“Nettes Gefährt.”
“Stimmt. Wie lange wirst du in England bleiben?”
“Gegenfrage: Wie lange bleibst
du
hier?”
“Bis ich meine Angelegenheiten geregelt habe. Hast du Hunger?”
Sie hätte wissen müssen, dass er verschwiegen wie ein Grab war. “Ja, sehr sogar.”
“Das trifft sich gut. Ich auch.”
In seiner Nähe fühlte sie sich gut und sicher, und als Ramon den Blinker betätigte, blickte Annalisa aus dem Fenster. Wohin brachte er sie? Sie fuhren eine kurvenreiche Auffahrt entlang und hielten dann vor einem großen, eleganten Gebäude. “Gehört das dir?”, fragte sie überrascht.
“Noch nicht.” Er zuckte die Schultern. “Es ist ein sehr gutes Hotel, und außerdem gibt es ein exzellentes Restaurant.” Ramon gab dem jungen, mit einer schicken grünen Uniform bekleideten Mann die Wagenschlüssel und bat ihn, die Limousine in der Tiefgarage zu parken. Danach gingen sie die beeindruckende Treppe hinauf. “Du kannst dich in meinem Zimmer frisch machen”, sagte er, als der Portier ihnen die großen Türen öffnete.
Das fehlte gerade noch! “Die Damentoilette reicht mir völlig.” Sie musste einen klaren Kopf behalten, bis sie wusste, was genau er vorhatte.
“Wo möchtest du essen? Ich glaube, du ziehst das Restaurant meiner Suite vor, oder?”
Das hatte er gut erkannt! Warum bebte sie eigentlich am ganzen Körper? Sie war doch schon mit ihm ausgegangen … Ich muss mich entspannen, dachte sie verzagt. Er war ein gut aussehender Mann, aber auch ein gefährlicher Gegner. Das durfte sie nie vergessen!
Ramon schien in ihr wie in einem offenen Buch lesen zu können. “Sei ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Ich beiße nicht.”
Das war leichter gesagt als getan. Vielleicht hatte er ja nicht gelogen und war wirklich in England, um dieses Hotel zu kaufen. Aber woher sollte sie das wissen … Annalisa war aufs Äußerste alarmiert. Auf keinen Fall durfte sie sich überreden lassen, mit ihm aufs Zimmer zu gehen. Es war auch so schon schwer genug, sich mit ihm zu unterhalten, wenn ihr Körper ganz andere Dinge tun wollte.
Die großen Eichentüren führten in die diskret beleuchtete, angenehm warme Lobby. Annalisa blickte sich beeindruckt um. Der ganze Raum war mit dunklem Holz getäfelt, an den Wänden hingen Ölgemälde, und neben der imposanten Treppe stand ein großes Klavier. Wenn man über den roten Teppich ging, hatte man das Gefühl zu versinken. Überall standen Vasen mit frischen Blumen, das Messing war auf Hochglanz poliert, und das Kristallglas der Leuchter glitzerte.
“Wie gefällt es dir?”, fragte Ramon, nachdem er an der Rezeption seinen Schlüssel geholt hatte.
“Es ist einfach wunderbar”, erwiderte Annalisa ehrlich.
“Dann werde ich es wohl doch kaufen. Ich bin immer auf der Suche nach abgelegenen Luxushotels, sozusagen als Zufluchtsort für die High Society.” Er führte sie zum Restaurant. “Luigi?”, rief er über die rote Kordel hinweg, die den Eingang versperrte.
Gleich darauf kam ein Mann Mitte fünfzig auf sie zu. Als er Ramon sah, verbeugte er sich und ließ sie sofort herein.
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