Das spanische Medaillon
wolle.
»Wer war der Glückliche?«, fragte ich, doch sie schwieg.
»Na, jetzt zier dich nicht so! Es ist doch schon Jahre her.«
Sie wollte gar nichts mehr sagen. Ohne es laut auszusprechen, formulierte ich innerlich klipp und klar: Adieu, gute Freundin! Damit hast du dich selbst endgültig von der Liste der Freundinnen dispensiert!
Sie fragte mehrfach nach, ob ich auch über den Mörder der Charrière etwas Dienliches herausgefunden, und ich hatte sie dringlichst im Verdacht, eine Kriminalgeschichte schreiben zu wollen, wofür ich ihr angesichts ihrer Schwäche in puncto logischer Stringenz beim Denken nun absolut gar keinen Erfolg voraussagen konnte. Ich bat sie trotz ihres ihr unbewussten Todes als Freundin, doch endlich ihren Verehrer einmal zur allgemeinen Kenntnis zu bringen, wofür das Raketenspektakel auf dem Beeren’schen Gute wohl den geeigneten, unverfänglichen Rahmen böte. Auch die anderen Freundinnen seien dort und wir gedächten, später, wenn alles vorüber und die Projektile glücklich in die Luft geschossen und die beförderte Liebespost erfolgreich zugestellt, noch ein bewegtes Treffen abzuhalten. Sie hielt sich die Ohren zu, sodass ich nicht sicher sein konnte, ob sie die Einladung überhaupt verstanden, doch es war mir, ehrlich gesagt, aus Gründen, die zu offensichtlich sind, als dass ich sie weiter ausbreiten müsste, auch ganz egal. Keine echte Freundschaft gibt es, die irgendwelche intimen Geheimnisse kennt! So viel sollte doch klar sein ...
23
Während Jérôme und Richard am 15. Juli mit einigen Gehilfen aus Kanzow über Potsdam direkt nach Großbeeren gefahren waren, hatten Leo, Ludwigia und ich schon tags zuvor den Weg über Wustermark nach Berlin genommen, um bei Evelyn auszuruhen. Am Sonntagmorgen nun holten wir Lulu und den Doktor ab.
»Es ist eine normale Lungenentzündung!«, sagte Heim, der sich freute, einmal einen Tag in seiner Praxis auszusetzen, um als Notarzt unserer technischen Demonstration auf dem weiträumigen Weideland des Gutes Großbeeren beizuwohnen.
Heim spielte den Schwager, was ihm bei einem Wagen voller Schönheit, wie er sich ausdrückte, ein sichtliches Vergnügen bereitete. Er grüßte denn auch demonstrativ zu allen anderen Kutschern hinüber, was doch sehr spaßhaft zu sehen war.
Nachdem der Tempelhofer Berg bezwungen war und erst Mariendorf, dann auch Marienfelde hinter uns lagen und die endlose Schlange der Fuhrwerke und Kutschen mit gleichem Ziel sich ein wenig auseinanderzog, sodass unser Gespräch etwas weniger öffentlich war, nutzte ich meine Position neben ihm auf dem Bock, um mich nach dem Befinden der Königin zu erkundigen.
»Als ich sie vor drei Tagen in Hohenzieritz zuletzt untersuchte, fand ich keine Komplikationen. Des Herzogs Leibarzt Hieronymi und ich sind da ganz einer Meinung. Er ist ein fähiger Mann. Wenn es so verläuft wie üblich, dann hat sie am 20. oder 21. noch eine Krise und dann ist es überstanden!«
Ich erzählte ihm mit einem spürbaren Ring um die Brust von unserer gymnastischen Einlage bei ungünstiger Witterung. Meine Befürchtung, dass sie davon krank geworden, verschwieg ich nicht. Er lachte nur.
»Gut so, das härtet ab. Machen Sie sich keine Gedanken – von zehn Minuten im Regen bekommen Sie keine Pneumonie! Eine Entzündung der Lungenhülle ist kein Schnupfen und keine Erkältung, die in ein, zwei Tagen ausgebildet sind. Sie kann sich über Monate und länger entwickelt haben. Wenn man sich vor Augen führt, welchen Ortswechseln und Strapazen Ihre Majestät die letzten Jahre über ausgeliefert war, da ist es ein Wunder, dass sie frühere Entzündungen ohne fachgerechte Behandlungen so einfach überstanden hat.«
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Zugleich ward mir komisch zumute, als ich bemerkte, dass ich erleichtert war, obwohl es der Königin nicht besser ging. Doch man wird mich vielleicht trotzdem verstehen können. Ich wollte nicht verantwortlich sein für ihr Leiden. Sie war für unser Land zu wichtig. Sie war ein zu kostbarer Mensch für alle, die sie kannten und liebten!
»Ob wohl Hermine kommt?«, erklang von hinten Lulus Frage.
»Ihren geheimnisvollen Freund zu sehen fänd’ ich fast interessanter!«, hörte ich Evelyns Stimme entgegnen.
»Habt ihr übrigens diese komische Anzeige gesehen, die mehrere Tage hintereinander kam?«, fragte Lulu. »Eine feine Dame will ein Manuskript loswerden. Irgendwas mit einem spanischen Anhänger ... Ich hab’ mich fast kringelig gelacht. Eine dringlichere
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