Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
Vom Netzwerk:
sich seit vielen Jahren mit Raketen beschäftigt hat. Unsere Idee, die wir Ihnen heute vorführen werden, ist im Grunde sehr einfach: Man schreibe etwas auf ein Blatt Papier und wickele es um einen Stein. Wirft man ihn, so wird er schneller ans Ziel kommen als der Brief, den man einer Taube anvertraut. Man sagt ja auch: Der Stein in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach ...«
    Jérôme liebte schon seit jeher den wesenlosen Kalauer, da kann man nichts machen. Das Publikum jedenfalls war erheitert und das allein zählte ja nun einmal.
    »Viele von Ihnen werden sagen, dass die Taube vielleicht langsamer ist, dafür aber auch den Brief sicherer transportiert und weicher landen lässt! Wir möchten Ihnen heute vorführen, dass auch die moderne rasende Rakete dies bewerkstelligt. Als Briefe mögen uns die nummerierten Lose gelten, die Sie mit Ihren Namen versehen haben und die wir nun in drei Kapseln in drei Postraketen nacheinander zum Ziel nach Ruhlsdorf hinüberschießen werden. (Raunen und Lachen in der Menge, Rufe: Hört, hört!) Und um die Ergebnisse der dortigen Ziehung schneller zu erfahren, werden wir uns einer weiteren neuen Erfindung, nämlich der des mobilen Klappentelegrafen, bedienen!«
    Johlen und Pfeifen schwoll an und man bedachte das Gestell des Telegrafen mit höhnischen Blicken. Was sollte das denn für ein komisches Ding sein?
    »Was die Rakete und der Telegraf in Zukunft bewirken werden, das mag sich später jeder der Gewinner vorstellen, wenn er eine Flasche von Beerens Geist intus hat. (Gelächter!) Alle, die nicht gewonnen haben, können das edle Getränk dennoch käuflich erwerben!«
    Es wurde applaudiert und auch das Lächeln des Königs erschien, diesmal als Gefrorenes . Die silbern angemalte Rakete wurde startklar gemacht und selbiges dem Ziel durch ratternde Klappensignale des Telegrafen angekündigt. Eine Stimme von hinten erschreckte mich zu Tode:
    »Ich hoffe, die tragen da hinten Schilde und feuerfeste Anzüge!«
    Das Gesicht Heiner von Kleists war neben mir erschienen.
    »Verzeihen Sie, ich bin etwas aufgeregt!«, sagte ich, als er mich erstaunt ob meines erbleichten Gesichts ansah.
    »Es steht einiges auf dem Spiel! Hoffentlich klappt es!«
    »Ich weiß noch nicht, wie ich meinen Artikel überschreiben werde – wenn es funktioniert, dann weiß es in ein, zwei Wochen die ganze Welt!«
    Ich glaube, da überschätzte er seine kleine Zeitung ein wenig, die jedoch immerhin täglich mit vier Seiten erschien. Täglich vier halbwegs spannende Seiten – das muss man als Einzelner erst einmal schaffen! Aber ich machte gute Miene und spähte rings umher. Nichts von dem zu sehen, den ich erwartete.
    Die erste Handvoll Lose wurde in eine mit einem kleinen Fallschirm verbundene Blechbüchse gestopft, welche in einer dafür vorgesehenen Öffnung am Kopf des Projektils ihren Platz fand. Durch einen ebenso einfachen wie sinnreichen Mechanismus würde – sobald die Rakete auf ihrer Bahn in den Sinkflug käme – die Dose aus der Öffnung gezogen und sänke (hoffentlich!) an dem Fallschirm unversehrt zu Boden. Wir hatten das in Kanzow etwa fünfzig Mal erprobt und es hatte in neunundachtzig Prozent der Fälle hingehauen.
    Ein Zischen zeigte die erfolgte Zündung an. In breitem Strahl fauchte das Feuer aus der Röhre, die nun in vorher genau bestimmtem Winkel in den Himmel über Großbeeren emporschnellte. Aaah! und Oooh! machte die Menge und begann zu jubeln und zu klatschen, als man weit drüben über dem Horizont einen weißen Fleck auftauchen sah: den Fallschirm mit der Büchse! Langsam senkte er sich und alle, die ein Perspektiv mitgebracht hatten, konnten wie ich verfolgen, dass ein Reiter die sicher gelandete Kapsel aus einer kleinen Hecke angelte und zu der Stelle brachte, wo die Gegenstation des Feldtelegrafen aufgebaut war. Figuren hantierten. Dann sah ich die Symbole am Sender sich verändern. Keine zehn Sekunden später gab der Empfänger seine ratternde Antwort: Signal erhalten!
    »Die erste Flasche Beerengeist geht an den Herrn Metzgermeister Klinger!«, hörte man den Telegrafisten, der kein anderer war als Jérôme.
    Er sah mich und winkte! Ich jubelte und strahlte und blickte zum König, der mit seinen weißen Handschuhen sorgsam applaudierte.
    »Nun, da freut sich aber jemand!«, raunte es hinter mir.
    »Tja, mein lieber Kleist, ich denke, Ihr Bericht wird so schlecht nicht ausfallen können!«
    »Ich bin nicht Kleist.«
    Mein Blut gefror. Als ich mich umwandte, war es ...

Weitere Kostenlose Bücher