Das Spektrum der Toten
ins Bett zu gehen, denn in den folgenden Wochen hielt sie sich durchaus nicht von Josef fern, sondern suchte ihn immer wieder auf. Auch Josef ließ Josefa nicht mehr aus den Augen und folgte ihr überall hin. Ihre Dienstherrschaft fand das lästig und kündigte ihr die Stellung. Josefa konnte vorübergehend bei ihrer Mutter unterkommen. Arbeitslos und ohne Mittel sah sie sich nun aber endgültig in der Macht des Mannes, der sie gewaltsam missbrauchte und den sie dennoch wie besessen liebte. In diesem Chaos widersprüchlicher Gefühle fand sich Josefa bald nicht mehr zurecht, von Heirat war nicht mehr die Rede.
An einem Novemberabend fügte sich Josefa wiederum Josefs Wunsch, mit ihm zu schlafen. Der Akt dauerte eine Viertelstunde. Danach setzte sich Josef erschöpft auf den Bettrand. Josefa blieb liegen und schlief ein. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als Josef sie weckte und erneut den Beischlaf verlangte. Er wurde für Josefa zur Qual: Josef mühte sich über eine Stunde ab, um zum Ziel zu kommen. Josefa empfand die Situation als peinlich, aber sie hatte nicht die Kraft, den Mann von sich zu stoßen.
Plötzlich unterbrach Josef seine Bewegungen und begann am ganzen Körper zu zittern. Er richtete sich mit geweiteten Augen auf und sank dann bewusstlos aufs Bett zurück. Josefa wälzte sich über den reglosen Körper des Mannes hinweg aus dem Bett und setzte sich benommen auf den Fußboden.
Einige Minuten vergingen in angstvollem Schweigen. Dann hörte sie Josefs Stimme, ein heiseres Röcheln: »Komm, ich bin noch nicht fertig.« Dieser Mann, der sie eine Stunde lang geschunden hatte, der jetzt mehr tot als lebendig war, wollte sie erneut zwingen, ihm zu Willen zu sein! Ohnmächtige Wut befiel sie. Sie musste sich seiner Gewalt erwehren! Musste sich vor ihm schützen! Alle Frauen vor ihm schützen!
Auf dem Tisch lag ein Messer, damit hatte Josef tags zuvor Rüben zerkleinert.
Es war ein scharfes Messer.
Josefa nahm das Messer und trat vor das Bett. Josef lag auf
dem Rücken, nackt. Josefa griff nach Josefs Penis. Er war schlaff, es bedurfte mehrerer Schnitte, um ihn abzutrennen. Josef stöhnte, aber er war zu schwach, um Josefa zurückzudrängen. Er fuchtelte nur ziellos mit den Händen herum. Sie setzte das Messer erneut an, fetzte mit fester Hand weitere Teile ab, warf sie zu Boden, suchte ein Stück Zeitungspapier, wickelte die blutigen Stücke hinein und schmiss sie zum Fenster hinaus.
Danach stieg sie wieder ins Bett, legte sich auf die blutigen Laken neben den röchelnden Mann und schlief bis gegen fünf Uhr früh. Dann kleidete sie sich an. Josef lag still mit geschlossenen Augen, er schien zu schlafen. Sie trat zu ihm. Da öffnete er die Augen und flüsterte: »Geh schon. Und komm heute abend nicht zu spät.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie, »ich weiß nicht, mal sehen.« Sie löschte das Licht und ging hinaus.
Es war immer noch finster, als Josef sich zu erheben versuchte. Er empfand durch die Verletzung Schmerzen. Er war benommen, aber es wurde ihm gar nicht bewusst, dass Josefa ihn kastriert hatte. Er kroch aus dem Bett. Dabei wurde ihm so schwindlig, dass er sich auf den Fußboden setzen musste. Völlig ermattet lehnte er sich mit dem Rücken ans Bett und schlief wieder ein.
Als Josefs Geselle am Morgen zur Arbeit kam, wunderte er sich, dass der Meister noch nicht in der Werkstatt war. Das war ungewöhnlich. Seine Rufe blieben ohne Antwort. Der Geselle ging durch die Werkstatt in die Wohnung des Meisters. Hier fand er ihn schließlich im Schlafzimmer: Er saß tot auf dem Fußboden, an das Bett gelehnt. Ohne die Leiche weiter zu betrachten, rief der Geselle die Polizei.
Inzwischen war es hell geworden. Den Polizisten war beim ersten Anblick des Toten klar, dass hier ein Verbrechen geschehen war. Sie sahen den blutverschmierten Unterleib der Leiche, die Blutflecken auf dem Bettlaken und auf dem Fußboden neben dem Toten. Die Bettdecke war mit Erbrochenem und Urin beschmutzt.
Die gerichtsmedizinische Obduktion des Josef D. ergab folgendes:
»An den abhängigen Körperteilen der Leiche eines älteren Mannes ziemlich ausgebreitete und ziemlich deutliche Totenflecke. Vom Schamberg bis zum Perineum erstreckt sich eine glattrandige, mit Blutgerinnseln bedeckte Wunde; ihre nächste Umgebung weder geschwollen noch blutig unterlaufen. Vom Penis ist nur ein 1 cm langer Stumpf zurückgeblieben, dessen Wundfläche scharf und glatt ist. Zugleich fehlt die linke Hodensackhälfte
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