Das Spiel
einer schrecklich intensiven Empfindung von déjà vu übermannt. Das Zimmer um sie herum schien dunkler zu werden, als wären Fenster und Oberlicht durch Rauchglasscheiben ersetzt worden.
Es ist sein Saft, dachte sie, obwohl sie ganz genau wusste, dass er es nicht war. Es ist sein gottverdammter Saft.
Ihre Reaktion richtete sich nicht so sehr gegen Gerald als gegen das verhasste Gefühl, das aus den tiefsten Tiefen ihres Verstands hochströmte. Sie reagierte im wahrsten Sinne des Wortes, ohne nachzudenken, und schlug nur mit dem instinktiven, panischen Ekel einer Frau zu, die festgestellt hat, dass das Ding, das sich in ihrem Haar verfangen hat und zappelt, eine Fledermaus ist.
Sie zog die Beine an, verfehlte mit dem rechten Knie nur knapp die Halbinsel seines Kinns, und stieß die bloßen Füße wie Rammböcke nach unten. Sohle und Rist des rechten trafen ihn in den Bauch. Die Ferse des linken knallte gegen den steifen Schaft seines Penis und die Hoden, die wie blasse, reife Früchte darunter baumelten.
Er kippte nach hinten und landete mit den Pobacken auf den plumpen, haarlosen Fesseln. Er hob den Kopf zum Oberlicht und der weißen Decke mit dem gespiegelten Muster der Wellen auf dem See und stieß einen hohen, röchelnden Schrei aus. Da schrie auch der Eistaucher über dem See wieder, ein diabolischer Kontrapunkt; für Jessie hörte es sich an, als würde ein Mann einen anderen bemitleiden.
Jetzt waren Geralds Augen nicht mehr zusammengekniffen; sie glänzten auch nicht mehr. Sie waren weit aufgerissen, sie waren so blau wie der makellose Himmel heute (der Gedanke, diesen Himmel über dem herbstlich verlassenen See zu sehen, war der ausschlaggebende Faktor gewesen, als Gerald vom Büro aus angerufen und gesagt hatte, er hätte freigenommen und ob sie nicht einen Tag und vielleicht über Nacht mit ihm zum Sommerhaus kommen wollte), und der Ausdruck darin war ein gequältes Staunen, das sie kaum ertragen konnte. Sehnen standen wie Stränge an seinem Hals ab. Jessie dachte: Die habe ich seit dem verregneten Sommer nicht mehr gesehen, als er die Gartenarbeit weitgehend aufgegeben und stattdessen J.W. Dant zu seinem Hobby gemacht hat.
Sein Schrei verhallte langsam. Es war, als würde jemand mit einer speziellen Gerald-Fernbedienung die Lautstärke reduzieren. Aber daran lag es selbstverständlich nicht; er hatte außerordentlich lange geschrien, möglicherweise dreißig Sekunden, und jetzt ging ihm einfach die Puste aus. Ich muss ihm ziemlich wehgetan haben, dachte sie. Die roten Flecken auf den Wangen und die Stelle auf der Stirn wurden purpurn.
Du hast’s getan!, rief die Stimme von Goodwife bestürzt. Du hast’s wirklich, wirklich getan!
Jawoll, verdammt guter Schuss, nicht wahr?, meldete sich die neue Stimme.
Du hast deinen Mann in die Eier getreten!, kreischte Goodwife. Was, in Gottes Namen, gibt dir das Recht, so etwas zu tun? Was gibt dir das Recht, auch nur Witze darüber zu reißen?
Sie wusste die Antwort darauf; glaubte es zumindest: Sie hatte es getan, weil ihr Mann vorgehabt hatte, sie zu vergewaltigen, und es dann hinterher als übersehenes Signal zwischen zwei im Grunde genommen harmonischen Ehepartnern, die ein harmloses Sexspiel spielten, abtun wollte. Das Spiel war schuld, hätte er achselzuckend gesagt. Das Spiel, nicht ich. Wir müssen es nicht mehr spielen, Jess, wenn du nicht willst. Selbstverständlich wohl wissend, dass nichts auf der Welt sie je wieder dazu bewegen konnte, die Arme hochzuhalten und sich Handschellen anlegen zu lassen. Nein, dies war ein Fall von jetzt und nie wieder gewesen. Gerald hatte es gewusst und das Beste daraus machen wollen.
Das schwarze Ding, das sie in dem Zimmer gespürt hatte, war außer Kontrolle geraten, wie sie befürchtet hatte. Gerald schien immer noch zu schreien, aber kein Laut (jedenfalls keiner, den sie hören konnte) kam ihm über den schmerzverzerrten Mund. Der Blutstau in seinem Gesicht schien an manchen Stellen fast schwarz zu sein. Sie konnte die Schlagader – oder die Karotidarterie, falls das in so einem Augenblick wichtig war – heftig unter der sorgfältig rasierten Haut seines Halses pulsieren sehen. Welche von beiden es auch sein mochte, sie schien kurz vor dem Explodieren zu sein, und ein garstiger Schreck fuhr Jessie in die Glieder.
»Gerald?« Ihre Stimme klang dünn und unsicher, die Stimme eines Mädchens, das bei der Geburtstagsparty einer Freundin etwas Wertvolles kaputt gemacht hatte. »Gerald, alles in Ordnung?«
Das
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