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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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das Tuch. Es war die alte Frau aus der Waschküche, die Neue mit den Brandnarben im Gesicht und den Zahnlücken. »Ja?«
    »Ich bin's, Losa. Ich hab dich im Reinkommen gesehen und dachte, die kenne ich doch. Und das ist dein kleiner Bruder?«
    Spatz sah die alte Frau misstrauisch an, wie er es bei allen Fremden tat. »Ja, er heißt Nonem.«
    »Ah, hübscher Name. Ich will dich nicht stören, Kind, ich wollte nur ...«
    In dem Moment erschienen, um die bizarre Atmosphäre formeller Geselligkeit komplett zu machen, Yazi und hinter ihr ein noch sehr junges Mädchen in einem feinen Kleid — der Sorte Kleid, die die Wäscherinnen nur zu Gesicht bekamen, wenn sie gerufen wurden, um Sachen aus den oberen Wohngemächern der Zitadelle zu säubern.
    »Nira, ich ...« Yazi sah die alte Frau. »Losa! Was machst du denn hier?«
    Die Frau lächelte und machte dann schnell den Mund zu, um ihre Zahnruinen zu verbergen. »Ach, ich bin nicht durchs Tor gekommen, um nach Hause zu gehen. So viele Soldaten, die alle rein wollten, und so ein Getriebe! Wagen, Ochsen, Gebrüll. Jemand hat gesagt, es seien Sessier, die der Protektor angeworben hat. Ich dachte, ich könnte vielleicht über Nacht hier bleiben.«
    »Wir werden mit der Aufseherin reden«, sagte Yazi. »Aber sie hat bestimmt nichts dagegen.« Normalerweise hätte Yazi die alte Frau nach Einzelheiten ausgequetscht, und es hätte im Schlafsaal den ganzen Abend kein anderes Gesprächsthema gegeben, aber jetzt war da offensichtlich etwas noch Aufregenderes, das sie ganz in Anspruch nahm. »Nira, da ist jemand für dich.«
    Qinnitan verstand gar nichts mehr. Sie wandte sich dem kleinen Mädchen in dem wunderschönen blauen Kleid und dem steifen Samtunterrock zu. Um sie herum versammelten sich Frauen, die wissen wollten, was eine solche Erscheinung in ihr Schlafquartier führte.
    »Ja?«
    »Ich soll dich zu meiner Herrin bringen«, sagte das Mädchen. »Du bist doch ... Nira?«
    Qinnitans Verwirrung schlug in Panik um, aber sie konnte es ja wohl nicht gut abstreiten. Sie rang darum, die hierosolinischen Worte zu finden. »Wer ... wer ist Eure Herrin?«
    »Das wird sie dir selbst sagen. Komm bitte mit.« Unter dem förmlichen Auftreten schien das Mädchen selbst ein wenig ängstlich.
    »Ach, wie schade«, sagte die alte Losa. »Ich hatte mich auf einen kleinen Schwatz gefreut.«
    »Geh schon mit«, sagte Yazi zu Qinnitan. »Vielleicht hat dich ja ein hübscher Prinz entdeckt, als wir heute in der Burg umhergeirrt sind. Soll ich mitkommen, falls du ihn nicht verstehst, wenn er um deine Hand anhält?«
    »Hör auf, Yazi.« Qinnitan wollte nur, dass alle weggingen und das Ganze vergaßen, aber es würde natürlich
der
Gesprächsstoff in der Schlafunterkunft sein, wahrscheinlich noch tagelang.
    »Sie soll allein kommen«, sagte das Mädchen in dem blauen Kleid.
    »Aber ... mein Bruder?«, fragte Qinnitan.
    »Ich passe auf ihn auf«, sagte Yazi. »Wir werden uns amüsieren, was, Nonem?«
    Spatz mochte Yazi, aber es gefiel ihm sichtlich nicht, Qinnitan mit einer Fremden davongehen zu lassen. Doch auf einen warnenden Blick von ihr hin nickte er. Qinnitan stand auf, übergab Yazi Spiegel und Kamm, damit sie beides den Eigentümerinnen zurückbrachte, und folgte dem Mädchen hinaus in die kalte, von Fackeln erhellte Nacht.
    Sie tastete in der Tasche ihres Mägdekleids nach Spatz' Schnitzmesser und hielt es fest umklammert, während sie über die endlose Steinplattenbahn der Echopromenade zurückgingen.
    »Wer ist Eure ...Herrin?«, fragte sie das Mädchen wieder.
    »Sie wird dir sagen, was sie dir zu sagen wünscht«, antwortete das Mädchen in dem blauen Kleid und sagte dann nichts mehr.

    »Das behagt mir gar nicht«, sagte ihr Vater. Pelaya wusste, dass das stimmte. Graf Perivos war kein Mensch, der Überraschungen mochte, und das alles war offensichtlich eine gewesen. »Schlimm genug, dass ein ausländischer Gefangener meine Tochter besticht, mir Botschaften von ihm zu überbringen, wo ich ohnehin schon genügend Sorgen habe — dass er sie als ... Botengängerin benutzt. Aber dass er dann auch noch von ihr erwartet, ein
Stelldichein
für ihn zu arrangieren ...!«
    »Es ist kein Stelldichein, und er hat mich nicht bestochen.« Pelaya streichelte seinen Arm. Der Ärmel war durchgewetzt, was ihr einen kleinen Stich ins Herz gab — er arbeitete so viel! »Bitte, Papa, sei nicht so. Stand denn etwas Schlimmes in seinem Brief?«
    Ihr Vater zog die Augenbrauen hoch. »Papa? Das habe ich nicht

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