Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sichtlich. Schließlich nickte sie.
    »Lasst sie jetzt wieder gehen«, sagte Olin und richtete sich auf. »Sie hat sicher noch nicht zu Abend gegessen und zweifellos den ganzen Tag schwer gearbeitet.« Er erhob sich. »Ich danke Euch, Pelaya, und auch Euch, Graf Perivos. Meine Neugier ist befriedigt. Es war wohl nur das Spiel von Licht und Schatten, das mir eine Ähnlichkeit vorspiegelte, die gar nicht da war — gar nicht da sein konnte.«
    Pelayas kleine Jungfer führte Nira in die Schlafunterkunft der Dienstmägde zurück, und Olin wurde von seinen Wachen wieder in seine Gemächer gebracht. Auf dem Rückweg in den Wohnsitz des Verwalters, einen Teil der Zitadelle, der kaum weniger prächtig war als der Palast des Protektors selbst, ergriff Pelaya die Hand ihres Vaters.
    »Danke, Papa«, sagte sie. »Du bist der allerbeste, allernetteste Vater. Wirklich, das bist du.«
    »Aber was im Namen der Götter sollte das alles?«, fragte er mit gerunzelter Stirn. »Hat dieser Mann den Verstand verloren? Welche Verbindung hätte es denn zwischen ihm und einer Wäschemagd geben können?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Pelaya. »Aber sie wirken beide so traurig.«
    Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Das hast du über die streunende Katze auch gesagt, und jetzt wache ich jeden Morgen davon auf, dass dieses Geschöpf nach seinem Fisch maunzt. Dein König Olin und seine Wäschemagd haben beide ein Dach überm Kopf Komm gar nicht erst auf die Idee, sie mir ins Haus zu schleppen.«
    »Nein, Papa.« Doch auch sie fragte sich, was zwei so fremdartige und so verschiedene Menschen in einem hierosolinischen Garten zusammenführte.
    Es donnerte wieder, und die ersten Regentropfen platschten herab. Pelaya, ihr Vater und der Leibwächter beeilten sich, ins Trockene zu gelangen.

19

Stimmen im Wald
    Doch jede Nacht hörte Bleiche Tochter Silberglanz singen, und ihr Herz sehnte sich nach ihm, bis sie schließlich aus dem Haus ihres Vaters floh und zu dem Geliebten lief. So schön war sie, dass er es nicht übers Herz brachte, sie wegzuschicken, obwohl ihn seine Geschwister warnten, dass nur Unheil daraus erwachsen würde. Silberglanz nahm Bleiche Tochter zur Frau, und sie brachten ein Kind hervor, das aus ihren beiden Melodien einen neuen, größeren Gesang machen sollte, einen seltsamen Gesang, der von da an durch die gesamte Geschichte der Jahre schallen sollte.
    Einhundert Grundsteine,
Buch der Trauer
    Briony war klar, dass sie trotz ihrer Verletzungen eine möglichst große Strecke zwischen sich und Landers Port hätte legen müssen, aber die ersten beiden Tage nach dem schrecklichen Überfall blieb sie in der Nähe der Mauern, versteckte sich, wo es ging, und belauschte die Gespräche anderer Reisender, um etwas Genaueres über Shasos Schicksal zu erfahren. Der verheerende Brand, der das Leben eines der reichsten Kaufleute der Stadt gefordert hatte, war natürlich in aller Munde, und alle schienen sich einig, dass außer dem einen männlichen Bediensteten, den sie gesehen hatte, nur die Frauen aus dan-Mozans Haus die schrecklichen Ereignisse jener Nacht überlebt hatten.
    Als sich ihre letzten vagen Hoffnungen schließlich zerschlagen hatten, begriff Briony, dass die Soldaten des Barons augenblicklich nach ihr suchen würden, falls bekannt würde, dass in dan-Mozans Haus mehr als ein Flüchtiger Unterschlupf gefunden hatte. Die Kleider eines jungen Mannes waren keine sehr gute Verkleidung, zumal wenn es die Kleider eines jungen Tuani waren und sie nicht mehr über die Mittel verfügte, sich entsprechend herzurichten. Sie rieb sich Dreck ins Gesicht und in die Haare, um weniger aufzufallen, aber einem prüfenden Blick hätte diese Tarnung nicht lange standgehalten. Sie musste weg aus Landers Port, das war die einzige Möglichkeit: Wenn sie ergriffen würde, weil sie verloren bei den Stadttoren herumstreunte, wäre Shaso umsonst gestorben — ein bitterer Gedanke, aber das Einzige, was sie antrieb, denn ihr eigener Überlebenswille war unter Schmerz und Wut verschüttet. Sie vermisste den alten Mann so schrecklich! Wenn Effirs Neffe Talibo wieder vor ihr gestanden hätte, dann hätte sie den kleinen Verräter mit Freuden ein zweites Mal getötet.
     
    Nachdem sie in ihrer Torheit geglaubt hatte, bereits alles verloren zu haben, lernte Briony jetzt täglich, dass die Götter einem, wenn sie wollten, immer noch mehr nehmen konnten.
    Sie merkte schnell, dass sie für das Leben als Vogelfreie nicht geeignet war — ja, alle romantischen

Weitere Kostenlose Bücher