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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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um das Brennen seines Zorns zu kühlen. Er rief nach seinen Brüdern und klagte, dass er im Sterben liege, dass sein Herz ein schwelender Stein in seiner Brust sei. Sie kamen zu ihm, und er erzählte ihnen vom Raub seiner Tochter, seiner Taube.
    Einhundert Grundsteine,
Buch der Trauer
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Opalia. »Es kann nicht gut sein, wenn du's allen sagst.«
    »Ich fürchte, diesmal kann ich dir nicht recht geben.« Chert sah sich in der Stube um. Die Ablenkungen der letzten Tage hatten überall Spuren hinterlassen — nicht gereinigte Werkzeuge, Staub auf der Tischplatte, ungespülte Schalen und Becher. »Ich bin kein Held, altes Mädchen. Ich bin am Ende meiner Möglichkeiten.«
    »Kein Held — ach nein? Du hast dich aber benommen, als wärst du einer.«
    »Nicht freiwillig. Ganz ehrlich, mein Schatz, das musst du doch wissen.«
    Sie schnaubte. »Ich setze Teewasser auf. Weißt du, dass das Ofenrohr verstopft ist? Wir können von Glück sagen, wenn uns der Rauch nicht umbringt.«
    Chert seufzte und sank tiefer in seinen Sessel. »Um das Rohr kümmere ich mich später. Eins nach dem anderen.«
    Er war so müde, dass er, als es läutete, gar nicht begriff, was es war. Halb im Traum dachte er, es seien die Glocken der Zunfthalle, sah im Geist das mächtige Gebäude von einem unterirdischen Fluss davongeschwemmt, in das Dunkel unter der Funderlingsstadt gerissen ...
    »Ist das unsere Türglocke?«, rief Opalia. »Ich mache gerade Tee!«
    »Ja, schon gut!« Chert rappelte sich hoch und versuchte, die Proteste seiner Knie und Fußgelenke zu ignorieren. Nein, er war eindeutig
kein
Held.
    Ich sollte gemütlich im Sessel sitzen und Speckstein schnitzen und meinen Enkelkindern beim Spielen zuschauen. Aber wir hatten ja nie Kinder.
Er dachte an Flint, den seltsamen Jungen.
Bis jetzt jedenfalls.
    Zinnobers kräftige Gestalt füllte den Türrahmen aus. »Seid gegrüßt, Meister Blauquarz. Ich bin auf dem Rückweg vom Steinhauen vorbeigekommen, wie versprochen.«
    »Kommt herein, Magister. Das ist nett von Euch.«
    Opalia wartete bereits mit einer Tasse Blauwurztee neben dem besten Sessel. »Es ist mir schrecklich peinlich, Besuch zu empfangen — zumal Euch, Magister —, wenn das Haus in einem solchen Zustand ist. Ihr erweist uns eine Ehre.«
    Zinnober winkte ab. »Indem ich den berühmtesten Bürger der Funderlingsstadt besuche? Mir scheint,
mir
wird die Ehre einer Audienz zuteil.« Er nahm einen kleinen Probeschluck und blies dann auf seinen Tee.
    »Berühmt ...?« Chert runzelte die Stirn. Zinnober hatte einen rauen Humor, aber das eben hatte nicht wie ein Scherz geklungen.
    »Zuerst findet Ihr den Jungen, und als er dann wegläuft, bringt Ihr ihn wieder zurück, und einer der Metamorphose-Brüder hält ein Ende der Trage? Und Großwüchsige gehen bei Euch aus und ein? Und ich habe sogar Gerüchte von Dachlingen gehört, den kleinen Leutchen aus den alten Sagen. Chert, wenn jemand in der Funderlingsstadt
nicht
von Euch und Opalia spricht, dann muss er so wenig mitbekommen wie ein Blindwurm.«
    »Ach du gute Güte«, sagte Opalia, wenn auch mit einem seltsamen Unterton, der fast schon wie Stolz klang. »Noch etwas Tee, Magister?«
    »Nein, zu Hause wartet mein Abendessen auf mich, gute Opalia. Überstunden zu machen, ist eine Sache, aber ohne rechten Appetit ins Quecksilberhaus zurückzukommen, nachdem meine Frau den ganzen Nachmittag in der Küche gestanden hat — das heißt, sich Ärger einzuhandeln. Vielleicht könnt Ihr mir einfach sagen, was Euch beschäftigt, wenn ich Euch nicht allzu sehr dränge?«
    Chert lächelte. Wie anders dieser Mann doch war als sein eigener Bruder, ebenfalls ein Magister: Knoll Blauquarz war in der Funderlingsstadt längst nicht so bedeutend wie Zinnober, aber von seinem eingebildeten Benehmen her hätte man das nie gedacht. Zinnober hingegen, einen Mann, der so sehr er selbst war, so wenig auf Rang und Ansehen gab, den musste man einfach mögen. Chert hatte leise Gewissensbisse beim Gedanken an das, was er jetzt gleich tun würde.
    »Dann komme ich direkt zur Sache, Magister«, sagte er. »Es geht um unseren Gast. Ich brauche Eure Hilfe.«
    »Probleme mit dem Jungen?« Zinnober guckte tatsächlich ein wenig besorgt.
    »Mit dem Jungen nicht — jedenfalls ist das nicht der Gast, den ich meine.« Er rief laut: »Ihr könnt jetzt herauskommen, Chaven!«
    Der Arzt musste sich bücken, um durch die Tür des Schlafzimmers zu passen, wo er bei Flint gesessen hatte. Selbst wenn

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