Das Spiel
beim Gehen schwankte wie ein zu schwer bepackter Esel. Sein Schädel war kahl geschoren, seine Augenbrauen rasiert, und auf seiner Brust hing ein goldenes Medaillon in Form eines flammenden Auges. Er blieb am Fuß des Thrones stehen und sah Olin ein wenig irritiert an, als ob er sein Leben lang trainiert hätte, schnell zu befinden, wer an einem Hof welchen Rang hatte, und es ihm gar nicht passte, jemanden anzutreffen, den er nicht so rasch in eine Schublade in seinem Kopf stecken konnte.
»Kümmert Euch nicht um meinen ... Ratgeber«, erklärte Ludis Drakava dem dicken Mann. »Lest mir Euren Brief noch einmal vor.«
Der Gesandte senkte den mächtigen, glänzenden Kopf, entrollte ein mit Bändern und Siegeln versehenes Pergament und begann, es mit der hohen Stimme eines Kindes zu verlesen.
»Von Sulepis Bishakh am-Xis, dem Erwählten des Nushash, dem Goldenen, Herrn des Großen Zeltes und des Falkenthrons, Herrscher über alle Stätten und Geschehnisse, möge er ewig leben, an Ludis Drakava, Protektor von Hierosol und den krakischen Territorien.
Uns ist zu Ohren gekommen, dass Ihr einen gewissen Olin Eddon, König des nördlichen Landes namens Südmark, gefangen haltet. In Unserer göttlichen Weisheit wünschen Wir, mit diesem Mann zu sprechen und ihn als Unseren Gast zu empfangen. Wenn Ihr ihn Uns schickt oder veranlasst, dass er mit Unserem Boten, dem Begünstigten Bazilis, hierher kommt, werden Wir Euch reichlich entlohnen und Euch auch in Zukunft gewogen sein. Sollte Hierosol eines Tages Teil Unseres irdischen Reiches werden (wie es dem offenbarten Wunsche des großen Gottes Nushash entspricht), wäre es sogar denkbar, dass Euch die Garantie Eurer persönlichen Sicherheit und eine hohe Stellung innerhalb Unseres ruhmreichen Imperiums zuteil werden.
Solltet Ihr hingegen seine Herausgabe verweigern, werdet Ihr damit Unser schärfstes Missfallen auf Euch ziehen.
Unterzeichnet von Seiner heiligen Hand und versehen mit dem Großsiegel des Sohnes der Sonne, schloss der Gesandte und schwenkte das Pergament so schwungvoll, dass es sich wieder einrollte. »Habt Ihr eine Antwort für meinen unsterblichen Herrn, Protektor?«
»Morgen früh werde ich Euch eine geben, keine Sorge«, sagte Ludis. »Ihr könnt jetzt gehen.«
Der dicke Mann sah ihn streng an, als wäre der Protektor ein Kind, das sich vor einer Aufgabe zu drücken versuchte, ließ sich dann aber von den Soldaten wieder hinausgeleiten.
Als sich der Thronsaal so weit geleert hatte, fragte Olin: »Und? Werdet Ihr ihm geben, was er will?«
Ludis Drakava lachte wieder. Seine Wangen waren rot, seine Augen kaum minder. Er sah aus, als hätte er an diesem Nachmittag schon reichlich getrunken. »Er rüstet seine Flotte, der Autarch — dieses boshafte, Eunuchen liebende Kind. Er wird bald hier sein. Die Frage ist nur: Warum will er Euch haben?«
Der König aus dem Norden zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Es heißt, Sulepis sei noch irrer als sein Vater Parnad.«
»Ja, aber warum Euch? Und wie hat er überhaupt erfahren, dass Ihr mein ... Gast seid?«
»Das ist ja wohl kein Geheimnis.« Olin lächelte grimmig. »Ihr habt ja dafür gesorgt, dass ganz Eion weiß, dass ich Euer Gefangener bin.«
»Ja. Aber es ist doch interessant, dass das jetzt kommt, kurz nachdem Ihr mit diesem xixischen Mädchen gesprochen habt. Könnte es sein, dass dieses unschuldige Treffen für Euch die Gelegenheit war ... eine Botschaft übermitteln zu lassen?«
»Seid Ihr verrückt?« Olin trat auf den Grünen Stuhl zu. Die beiden riesigen Leibwächter lösten die verschränkten Arme und starrten ihn an. Er blieb mit geballten Fäusten stehen. »Warum sollte ich mich in die Hände eines solchen Wahnsinnigen geben wollen? Ich habe Jahre gegen ihn und seinen Vater gekämpft — und ich würde auch jetzt gegen ihn kämpfen, wenn Ihr und der verfluchte Hesper Euch damals nicht verschworen hättet, mich in Jellon gefangen zu nehmen.« Er schlug mit der Faust in die andere Hand. »Außerdem habe ich erst vor wenigen Tagen mit dem Mädchen gesprochen — wie hätte irgendeine Botschaft so schnell nach Xis und wieder zurück gelangen können?«
Der Protektor neigte den Kopf. »Alles, was Ihr sagt, klingt ganz vernünftig.« Es schien ihm Befriedigung genug, Olin in Wut versetzt zu haben. »Aber das heißt noch nicht, dass es wahr ist. Dies sind unvernünftige Zeiten, wie Ihr am besten wissen solltet, wo Eure Burg gerade von Wandelwesen und Kobolden angegriffen wird.« Er sah
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