Das Spiel
ihrer edlen Herkunft entsprach.
»Es waren Soldaten dabei«, sagte er. »Die Männer Eures Vaters.«
»Theo und Damian? Und Spiridon? Die waren doch alle schon oft bei uns zu Hause«, erklärte sie ihm. »Sie sind keine Fremden, sie sind so etwas wie Onkel.« Sie dachte an Damian, der wirklich sehr gut aussah. »Junge Onkel vielleicht. Aber sie sind für mich keine Fremden, und es ist keine Schande, meinen Vater vor ihnen zu umarmen ...«
Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende, weil draußen etwas wie Donner krachte und die Perinstatue im Wandschrein über dem Treppenabsatz ins Wanken geriet. Unwillkürlich stieß Pelaya einen spitzen Schrei aus und rannte ans Fenster.
»Was tut Ihr, Kind?« Der Diener hätte beinahe nach ihrem Arm gegriffen, um sie zurückzuziehen, besann sich dann aber eines Besseren. »Kommt da weg. Sonst tötet Euch noch eine Kanonenkugel!«
»Sei nicht albern, Eril.« Was auch immer sie sonst sein mochte, sie war die Tochter ihres Vaters. »Ihre Kanonen reichen nicht so weit, nicht bis hier herauf zur Zitadelle, außer sie sind schon innerhalb unserer Mauern. Aber da — gütige Mutter Siveda, schau!«
Eine dicke, grauschwarze Rauchfahne stieg gleich hinter den alten Mauern auf — eines der Gebäude an den Kais im Nektarioshafen.
»Es muss das Pulvermagazin sein, das von einer verirrten Kugel getroffen wurde. Oh, schau doch, wie es brennt!« Hätte ihr vorausblickender Vater nicht einen Großteil des Pulvers, das aus Bequemlichkeitsgründen in dem riesigen Hafenmagazin gelagert worden war, fortschaffen und auf mindestens ein Dutzend verschiedene Lagerhäuser in der ganzen Stadt verteilen lassen, wäre jetzt die Hälfte des Schwarzpulvers der Stadt verloren gewesen, ganz zu schweigen vom Hafen selbst, der höchstwahrscheinlich zerstört worden wäre. So aber schien nur ein Gebäude, das Magazin selbst, verwüstet, und wenn das Feuer schnell gelöscht werden konnte, war der Verlust zu verkraften.
»Ich muss es meinem Vater sagen«, erklärte sie und überließ es Eril, ihr, so gut er konnte, auf den Fersen zu bleiben, während sie die Treppe wieder hinaufhastete.
»Was
machst
du hier?«, schrie ihr Vater, als sie hereinkam. Er sah wütend aus, richtig wütend, und zum ersten Mal wurde ihr klar, dass die Stadt fallen könnte — dass sie alle sterben könnten. Diese jähe Erkenntnis war so erschreckend, dass sie zuerst kein Wort herausbrachte.
»Das Magazin ...«, sagte sie schließlich. »Das im Hafen von Nektarios. Es wurde getroffen ... es ist explodiert.«
Sein Gesicht wurde etwas weicher. »Ich weiß. Vergiss nicht, nebenan gibt es ein Fenster. Jetzt geh und lauf schnell zu deiner Mutter, tu, was ich gesagt habe. Sie wird Angst haben — dieses Krachen war bestimmt bis zum Landmannsmarkt zu hören.«
Er verteidigt die ganze Stadt,
dachte sie und starrte ihn an. Ihr Vater hatte sich bereits zum Tisch umgewandt und studierte wieder seine Karten und Pläne. Seine großen Hände spreizten sich auf den widerspenstigen Pergamenten wie Baumwurzeln. Einen Moment konnte sie kaum atmen.
Pinnimon Vash, Oberster Minister des Goldenen, Sulepis, Autarch von Xis, konnte Schiffsreisen nicht leiden. Die Seeluft, die seine Vorfahren so entzückt hatte, als sie aus den Wüsten Xands gekommen waren und sich an der Nordküste des Kontinents niedergelassen hatten, roch für ihn nach Verwesung. Von der wiegenden Bewegung der Wellen fühlte er sich wieder wie damals in seiner Kindheit, als er am Gallfieber erkrankt und tagelang dem Tod nahe gewesen war, zitternd, schwitzend und unfähig, irgendetwas im Magen zu behalten. Man hatte so wenig mit seinem Überleben gerechnet, dass sein Vater der Göttin Sawamat einen ganzen Widder opfern ließ (was Vash gegenüber dem Autarchen, der die Existenz anderer Götter neben Nushash kaum anzuerkennen bereit war, nie erwähnt hatte).
Als er jetzt die Rampe hinunterwankte, war er so froh, wieder auf festem Boden zu sein, dass er Sawamat und Efiyal, dem Herrn der Meere, ein stilles Dankgebet schickte.
Die lang gestreckte Landzunge, die der ›Finger‹ hieß und parallel zur Westküste Hierosols in die Straße von Kulloan ragte, war von dem Fleckchen an ihrer südlichsten Spitze, wo Vash jetzt stand, kaum zu erkennen. Schwaden stinkenden, graugelben Qualms hingen dicht über dem Boden, sodass die wenigen Stellen der gemauerten Befestigungsanlagen, die man überhaupt sah, auf Wolken zu schweben schienen wie die Paläste der Götter. Der Kampf, der gegen Mitternacht
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