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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Welt und auch in keiner anderen. Ihr müsst Euch etwas anderes einfallen lassen.«
     
    Sie hatte nur ein Tagzehnt, um den Text zu lernen. Es waren Dutzende und Aberdutzende von Zeilen, in unsteten Doch-nicht-ganz-Reimversen. Geprobt wurde abends, nach der jeweiligen Aufführung, mit der sie sich ihr Nachtmahl verdienten, sodass die Arbeit hauptsächlich bei Kerzenschein in irgendwelchen Gasthaushöfen und Scheunen stattfand, während es draußen kalt blies und schneite oder regnete, aber Text vor sich hinsprechen und über die Gänge — das bedeutete, wie sie inzwischen gelernt hatte, wie sich die Schauspieler auf der Bühne bewegten und wie die Auftritte und Abgänge erfolgten — diskutieren konnten sie auch, während sie die Große Keltische Straße in Richtung Syan hinab zogen.
    Ein tiefer Fall,
dachte sie.
Von der Prinzessin auf der Burg zur obdachlosen falschen Göttin mit Stroh in den Haaren und Flöhen in den wollenen Strumpfhosen.
    Aber dieser Absturz hatte auch eine nie gekannte Freiheit mit sich gebracht. Briony war zwar nicht glücklich, aber sie war auch nicht betrübt, und sie musste zugeben: Bei aller Einsamkeit und Mühsal, allem Heimweh und aller Sehnsucht nach ihrer Familie erlebte sie doch etwas, das man nur als Abenteuer bezeichnen konnte.

33

Das Brüllen des Krokodils
    Argal und seine Brüder stürmten gegen die Festung Mondzahn an, und viele Götter wurden erschlagen, o meine Kinder, tausend mal tausend.

Verrat aus der eigenen Familie verhinderte schließlich, dass Nushash seine Halbbrüder zu besiegen vermochte, also zog er sich mit seiner Schwester-Gemahlin Surigali, der Herrin der Gerechtigkeit, zur Sonne zurück. Sein wahrer Bruder blieb im Mond und nahm sich als Kriegsbeute Nenizu, die Gemahlin des Xergal, zur Frau.
    Offenbarungen des Nushash,
Erstes Buch
    Über der Straße von Kulloan lag bereits Rauch wie dichter Nebel, mächtige Vorhänge von Grau und Schwarz, vom Wind zerrissen. Die xixischen Schiffe stampften vor den Mauern von Hierosol auf und nieder, die langen Reihen von Rudern wie Insektenbeine, die Kanonen Feuer speiend. Die Verteidiger feuerten zurück: Weiße Fontänen zeigten an, worauf sich die hierosolinischen Kanonen einschossen, und manch xixisches Segel hing in Fetzen, das Wappen mit dem brennenden Auge von Flammen lodernd, aber noch war keines der Belagererschiffe versenkt worden. Immerhin war es für Pelaya ein kleiner Trost, dass die Kanonenkugeln, selbst wenn sie die Mauern von Hierosol erreichten, fast keinen Schaden anrichteten.
    »Schau, Papa«, sagte sie und zog am Arm ihres Vaters. »Sie prallen ab wie Kieselsteine.«
    Er lächelte knapp. »Unsere Mauern sind stark und dick. Aber deshalb will ich noch lange nicht, dass du hier herumstehst und zuschaust. Die Nachricht deiner Mutter und mein Mittagessen hast du mir ja überbracht.« Er wandte sich an den bewaffneten Diener, einen hochgewachsenen Mann mit der duldsamen Miene von jemandem, der zwar leichte, aber nahezu ständige Schmerzen leidet. »Begleite sie jetzt zurück, Eril. Und sag meiner Frau, dass sie und die Kinder nicht mehr zum Palast kommen sollen, es sei denn, ich erlaube es ausdrücklich.«
    Der Diener verneigte sich. »Ja,
Kurs
Pervios. Und ich werde es der
Kura
ausrichten.«
    Pelaya stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihren Vater zu umarmen, und störte sich weder an Erils missbilligender Miene noch an der zerstreuten Art, wie ihr Vater die Zärtlichkeitsgeste erwiderte.
    »Ihr solltet Euch nicht so benehmen,
Kuraion«,
tadelte sie der Diener, während sie durch den Vorraum zur Treppe gingen. Er hatte angefangen, sie ›Kleine Herrin‹ zu nennen, als sie noch klein genug gewesen war, um sich darüber zu freuen — vor ewigen Zeiten. »Nicht vor Fremden.«
    »Welchen Fremden, Eril?« Sie war umso verärgerter, als sie doch immer ihr Bestes tat, die Ehre ihres Hauses zu wahren — und es war ja auch ein Haus von hoher Ehre: die Akuanai waren vom Blut der Devonai, jener Dynastie, die noch vor wenigen Jahrhunderten über ganz Hierosol geherrscht hatte und deren Totenmasken die Eingangshalle des Familiensitzes in Siris säumten wie eine Versammlung von geduldigen, friedlichen Geistern. Sie mochte ja weniger schüchtern sein als Teloni, wenn es darum ging, in der Öffentlichkeit den Mund aufzumachen, aber sie tollte weder umher wie ein Kind, noch kicherte sie wie ein kleines Mädchen: Wer sie sah, sah doch ganz gewiss eine junge Frau, die so würdevoll und ernsthaft war, wie es ihrer Erziehung und

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