Das Spiel
dass Vash immer noch zu ergründen versuchte, wie man wohl Krokodile im Kriegswesen einsetzen könnte, als er, Ikelis Johar und eine Schar von Dienern und Soldaten bereits der Sänfte des Autarchen zu den Schiffen folgten. Erst als er sah, wie das riesige Etwas aus dem Laderaum eines der sechs größten Frachtschiffe gehievt wurde, ging Pinnimon Vash ein Licht auf.
»Ah ja, o Goldener, natürlich! Die Geschütze!«
»Die größten und schönsten in der Geschichte der Menschheit«, sagte der Autarch glücklich. »Jedes so kunstvoll gefertigt wie prächtiger Schmuck. Welch ein Gebrüll werden sie veranstalten, meine Krokodile! Welch teuflisches, fürchterregendes Gebrüll!«
Das gewaltige Bronzerohr maß sechs bis sieben Manneslängen, und auch ohne das Fahrgestell war sein Gewicht offensichtlich immens — mehrere Fünfzigschaften Seeleute zogen an den Seilen und versuchten das Kanonenrohr zu stabilisieren, während sie es über die Bordwand schwangen, wobei die wuchtigen Winden und Flaschenzüge unter der Strapaze ächzten. Die Waffe war tatsächlich so gegossen, dass sie einem riesigen Flussreptil ähnelte, mit eingelegten Topasaugen, zahnbewehrten Kiefern, die, weit aufgerissen, die Mündung bildeten, und Schuppenplatten auf dem gerundeten Rücken. Dieses Ungeheuer und seine Brüder würden riesige Steinkugeln speien, jede zehnmal so schwer wie ein Mann, und falls die Kriegstechniker des Autarchen recht behielten (sie waren davon in Kenntnis gesetzt worden, dass sie andernfalls qualvoll sterben würden), würden diese Kugeln mit Leichtigkeit von den Festungen des Fingers aus die andere Seite der Wasserstraße erreichen.
»Kommt«, sagte der Autarch, nachdem sie verfolgt hatten, wie die schwitzenden Seeleute das Geschützrohr auf einen gigantischen Rollwagen hinabließen. »Welch ein Glück für uns, dass die alten Herrscher von Hierosol diese prächtige Pflasterstraße für ihre Versorgungswagen gebaut haben, sonst müssten wir die Kanonen durch den Sand schleifen, und das Warten wäre noch ermüdender. Ich werde jetzt meine Morgenmahlzeit einnehmen, und um die Mittagszeit werden wir dann vielleicht schon unser erstes hübsches Krokodil sprechen hören. Kommt, Vash! Um alle anderen Angelegenheiten kümmern wir uns, während ich esse.«
Von einer Morgenmahlzeit für seinen Obersten Minister hatte der Autarch ganz betont nicht gesprochen. Eine Stunde auf festem Boden hatte Vashs Magen beruhigt, und er war jetzt ungemein hungrig, unterdrückte aber mühelos einen Seufzer: Sämtliche Gefolgsleute des Autarchen beherrschten die Kunst, ihre Gefühle zu verbergen und ihre Bedürfnisse abzutöten, ansonsten würden ihre erkaltenden Körper auf den Geierschreinen bis auf die Knochen vertilgt.
Vash verneigte sich. »Gewiss, o Goldener. Wie Ihr befehlt.«
»Verzeiht die Störung, König Olin«, sagte Graf Perivos.
Der bärtige Mann lächelte. »Ich fürchte, ich kann Euch nicht so bewirten, wie ich es in meinem alten Zuhause vermocht hätte, aber seid mir willkommen, Graf. Bitte, tretet ein.« Er winkte dem Pagen, der sie ängstlich beobachtete: Olin war nur ein fremder König, aber jeder wusste, dass sein Besucher einer wichtigen, alten hierosolinischen Familie angehörte. »Sei so gut, Junge, und schenke uns etwas Wein ein«, sagte Olin. »Vielleicht etwas von dem torvischen.«
Perivos Akuanis sah sich in der Zelle des Königs um, die zwar einigermaßen komfortabel eingerichtet, aber nicht gerade übergroß war. »Es tut mir leid, dass Ihr so leben müsst, Hoheit. Meine Entscheidung wäre es nicht gewesen.«
»Aber Ludis wünschte es so. Er muss über verborgene Qualitäten verfügen, der Protektor, dass er einen so berühmten Mann wie Euch in seinen Diensten hat.«
Perivos hob an, etwas zu sagen, und blickte dann zu den Wachen hinüber, die zu beiden Seiten der Tür standen. »Ihr beide könnt draußen warten. Mir droht keine Gefahr.«
Sie beäugten ihn erstaunt, ehe sie hinausgingen. Graf Perivos räusperte sich.
»Ich will aufrichtig zu Euch sein, Olin Eddon, weil ich Euch für einen ehrenhaften Mann halte. Es ist nicht so sehr Loyalität Ludis gegenüber, die mich hier hält, obwohl dieser Mann dem Land nach einem langen Bürgerkrieg wieder Stabilität gegeben hat. Es ist vielmehr Loyalität meiner Stadt und meinem Land gegenüber. Ich bin durch und durch Hierosoliner.«
»Aber Ihr seid doch selbst von edlem Blut. Wie kommt es, dass Ihr nicht versucht habt, Euch auf den Thron zu schwingen oder jemanden zu
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