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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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übrigen Waschmägden. »Die Familie ist ja so wichtig. Jetzt muss ich zurück zu meiner eigenen. Mögen die Götter Euch alle schützen.«
    Stumm wie Katzen blickten ihr die Bediensteten nach.
    »Es geht bestimmt alles gut aus«, rief sie ihnen zu und musste sich dann sputen, um Eril einzuholen, der bereits entschlossen in Richtung Landmannsmarkt marschierte.

    Die alte Losa führte Qinnitan durch den Hof und zu einem Teil des Palastes, den die dort tätigen Verwaltungsbediensteten schon vor Tagen verlassen hatten. Es war seltsam, sich so frei durch Räume zu bewegen, durch die sie sonst immer nur auf Zehenspitzen geschlichen war, aus Angst, jemanden zu stören und dafür Schläge zu kassieren.
    »Warum sollte er einfach weglaufen?«, fragte Qinnitan, die jetzt, da die junge Adlige und ihr Diener nicht mehr dabei waren, wieder ins Xixische zurückfiel. »Und wie hast du ihn gefunden?«
    Die alte Frau kehrte die Handflächen nach oben. »Ich denke, die Kanonen haben ihm Angst gemacht, dem armen kleinen Kerl. Ich habe ihn rufen hören und ihn in seinem Versteck entdeckt, aber er wollte nicht mit mir kommen.«
    »Ihn rufen hören?« Qinnitan bekam es plötzlich wieder mit der Angst. »Aber er kann doch gar nicht sprechen. Bist du sicher, dass er es war? Mein Spatz?«
    Losa schüttelte verärgert den Kopf. »Da hast du's. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht bei diesem ganzen Durcheinander. Ich habe ihn weinen hören — stöhnen, das meine ich. Hier, da durch.«
    »Aber du hast doch gesagt, er sei im Turm der alten Zahlmeisterei — liegt die nicht in dieser Richtung?«
    »Siehst du? Ich kann nicht mehr klar denken.« Losa deutete mit einem schmutzigen Finger dorthin, wo sich der niedrige Bau des Armenhauses an die Seemauer schmiegte, die Bogentür des gedrungenen Turmes zwischen den Kletterpflanzen wie eine Zahnlücke in einem bärtigen Gesicht. »Nicht der Turm der Zahlmeisterei, sondern der vom
Armenhaus,
vom alten Armenhaus. Da. Er ist dort, ich verspreche dir.«
    Losa führte sie in den dunklen Vorraum des Gebäudes, das schon vor ein paar Jahren aufgegeben worden war. Die Bewohner waren jetzt anderswo untergebracht. Die Mosaiken auf dem Fußboden waren beschädigt und verkratzt, so dass man, abgesehen von dem hammerförmigen Gegenstand in der Hand einer der Figuren, nicht mehr sagen konnte, welche welchen der Trigon-Brüder darstellen sollte. Qinnitan hatte plötzlich das Gefühl, dass die alte Frau sie aus irgendeinem Grund hinters Licht geführt hatte, doch dann sah sie Spatz, der sie mit großen Augen aus dem Schatten des Treppenhauses anstarrte. Ihr Herz wurde weit und leicht, und sie stürzte auf ihn zu, aber er regte sich nicht. Sie sah, wie sein Mund arbeitete, als ob er viel zu sagen hätte, wenn man ihm nur seine Zunge wiedergäbe.
    »Spatz?« Irgendetwas war hier faul oder zumindest seltsam: Sie konnte seine Arme nicht sehen. Als sie näher trat, bemerkte sie, dass er sie hinterm Körper hielt, als ob er etwas vor ihr versteckte. Noch ein paar Schritte, und sie erkannte, dass seine Arme an den Handgelenken zusammengebunden waren und der Strick um den Riegel der schweren Treppenhaustür geschlungen war. Sie erreichte ihn, spürte, wie er unter ihren Händen vor Angst zitterte, und drehte sich zu Losa um. »Was ...?«
    Die alte Frau zog sich das Gesicht herunter.
    Entsetzt sah Qinnitan, wie Losa die Haut ihrer Wangen löste und in langen, klumpigen Streifen von ihrem Gesicht abzog. Sie hatte sich jetzt aufgerichtet und wirkte plötzlich viel kräftiger und dazu einen ganzen Kopf größer. Sie war nicht alt. Und sie war gar keine Frau.
    Vor Schreck verlor Qinnitan die Herrschaft über ihre Blase. Urin rann ihr die Beine hinunter. »Wer ... was ...?«
    »›Wer‹ tut nichts zur Sache«, sagte der Mann in perfektem Xixisch. Unter den wächsernen Resten der Maske war seine Haut fast so weiß wie die von König Olin, aber im Unterschied zu Olin hatte dieser Mann keine Spur von Güte in den Augen — da war überhaupt keine Regung. Vom Gesichtsausdruck her hätte er eine Steinstatue sein können. »Der Autarch schickt mich.« Er richtete sich auf und riss sich das sackartige Kleid vom Leib. Darunter kam Männerkleidung zum Vorschein. »Keinen Laut, oder ich schlitze dem Jungen die Kehle auf. Übrigens, falls du dich dafür entscheiden solltest, den Jungen zu opfern und loszurennen, solltest du wissen, dass ich
hiermit
einen Hasen erlegen kann« — wie bei einem Straßenzauberer erschien plötzlich ein

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