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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Protektor verschränkte die massigen Arme vor der Brust und funkelte den Grafen finster an.
    Irgendetwas stimmte nicht an Ludis' Reaktion. Drakava war ein Mann von erstaunlicher Vielschichtigkeit, aber Akuanis hatte noch nie erlebt, dass er wegen irgendetwas auch nur das geringste schlechte Gewissen zeigte, schon gar nicht ein so kindisches Trotzverhalten, als fürchte er eine Schimpftirade und eine Tracht Prügel. Und das bei dem Mann, der einen unschuldigen Priester (der zufällig auch den einzig rechtmäßigen Anspruch auf den Thron von Hierosol besaß) zu einem Hexer erklärt hatte, um ihn dann aus dem Tempel werfen und von Pferden vierteilen zu lassen? Wieso sollte Ludis Drakava ausgerechnet jetzt Gewissensregungen verspüren?
    »Es stimmt also. Ist es noch aufzuhalten? Wo befindet sich König Olin jetzt?«
    Ludis sah auf; er schien aufrichtig verblüfft. »Beim Barte des Hiliometes, warum sollten wir es aufhalten? Was kann Euch denn so ein milchgesichtiger Nordländer bedeuten?«
    »Er ist ein König! Ganz davon abgesehen, dass er ein Ehrenmann ist. Schade, dass ich das Gleiche vom Herrscher von Hierosol nicht behaupten kann.«
    Ludis sah ihn böse an. Graf Perivos wurde plötzlich bewusst, dass er von Soldaten umstellt war, von denen er keine Loyalität zu erwarten hatte, denn ihr Sold wurde ihnen Monat für Monat aus der Schatulle des Protektors gezahlt. »Ihr wagt Euch ganz schön weit auf einen dünnen Ast«, sagte Ludis schließlich.
    »Aber was habt Ihr davon? Warum gibt man einen unschuldigen Mann in die grausamen Klauen dieses ... dieses Monsters Sulepis?«
    Ludis lachte höhnisch, wandte sich aber ab, als ob er immer noch nicht in der Lage wäre, dem Grafen in die Augen zu sehen. »Wer trägt hier die Krone, Akuanis? Euer Ruf als Verteidigungsexperte gibt Euch noch lange nicht das Recht, mir solche Fragen zu stellen. Ich schütze, was ich schützen muss ...«
    Er verstummte, als plötzlich laute Rufe zu hören waren. Ein Soldat in den Farben der Esterischen Heimatgarde zwängte sich durch Drakavas Widdergarden und warf sich auf den Mosaikboden vor dem Thron. »Protektor!«, schrie er. »Die Xixier sind über die Mauer beim Brunnentor eingedrungen! Im Moment halten wir sie noch im Tempelhof am Fuß des Zitadellenhügels, aber wir sind nur wenige und schaffen es nicht mehr lange. Baron Kelofas bittet Euch inständig um Verstärkung.«
    Akuanis trat vor. Für Olin Eddon war jetzt in seinem Kopf kein Platz mehr. Der Tempelhof war nur zwei Meilen von dem Wohnhaus entfernt, wo sich seine Frau und seine Kinder in Sicherheit wähnten. Sie und Tausende weiterer Unschuldiger würden binnen Stunden von Feinden überrollt werden, wenn die Verteidigung am Brunnentor zusammenbrach. »Gebt mir einen Teil dieser Männer hier«, verlangte er. »Lasst mich gehen und Sulepis einen Schlag in die Zähne verpassen — jetzt sofort! Ihr habt eintausend Männer hier um dieses Gebäude stehen, aber sie werden niedergewalzt werden wie Korn im Sturm, wenn wir den Autarchen nicht aufhalten.«
    Drakava zögerte kurz, doch dann huschte ein eigenartiger Ausdruck über sein Gesicht. »Gut, nehmt sie«, entschied er. »Lasst mir aber zwei Fünfzigschaften zum Schutz der Schatzkammer und des Throns.«
    Nach all den harschen Worten, die gefallen waren, verblüffte es Perivos, dass der Protektor seine Truppen so einfach hergab, aber für Grübeleien war jetzt nicht der Moment. Er fiel auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden — nicht vor Ludis, versicherte er sich, sondern vor all den hierosolinischen Königen und Königinnen, Kaisern und Kaiserinnen, die vor ihm auf dem mächtigen grünen Thron gesessen hatten —, erhob sich dann und eilte hinaus zum Taksiarchen der Männer, die ihr Lager vor der Schatzkammer aufgeschlagen hatten. Er konnte nur beten, dass die Baumeister und Arbeiter, die er im Kaiserinnengarten zurückgelassen hatte, die Mauer weitgehend fertig gestellt hatten, denn sonst wäre alles Bemühen, die Mauer beim Brunnentor zu halten, umsonst.
    »Erfüllt uns mit Stolz, Graf Perivos«, rief Ludis, als Akuanis und der Taksiarch die Männer Eilmarschaufstellung beziehen ließen. Der Protektor hörte sich beinah an, als verfolgte er ein unterhaltsames Schauspiel. »Die Augen ganz Hierosols sind auf Euch gerichtet!«

    Eril war so wütend auf seine junge Herrin, dass er, als sie sich vom Siveda-Tempel in Richtung Zitadellenhügel aufmachten, zunächst nicht einmal mit ihr sprach, sondern ihr nur widerwillig folgte,

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