Das Spiel
Diener. Ich musste dich ohne großes Aufsehen finden, als König Olin mit dir sprechen wollte. Sag, wo ist Olin jetzt? Weißt du das? Er wurde aus der Festung weggebracht.«
Das Mädchen sah sie mit unverhohlener Verzweiflung an, als wäre Olins Aufenthaltsort völlig gleichgültig, gemessen an ihrem eigenen Unglück, worin es auch immer bestehen mochte. Pelaya runzelte verdrossen die Stirn. Wie sollte sie ein sinnvolles Gespräch mit einer Wäschemagd führen, die kaum ihre Sprache beherrschte? »Ich muss ihn finden.
Ihn finden.
Ich suche ihn.«
Der Gesichtsausdruck des Mädchens änderte sich — so etwas wie Hoffnung flackerte darin auf. »Helfen finden?«
»Ja!« Endlich hatte sie sie verstanden. »Ja, helfen finden.«
Das Mädchen sprang auf und fasste Pelayas Hand, was die Grafentochter nicht wenig schockierte, doch ehe sie protestieren konnte, wurde sie schon durch den Schlafsaal geschleppt. Doch nicht zu Olin führte das braunhaarige Mädchen Pelaya, sondern zu einer anderen Wäschemagd, einem freundlichen, rundlichen Mädchen namens Yazi, das offenbar dolmetschen sollte. Das zweite Mädchen beherrschte das Hierosolinische auch nicht viel besser, aber nach einigem Hin und Her wurde klar, dass die braunhaarige Wäschemagd gar nicht ihre Hilfe bei der Suche nach Olin angeboten hatte, sondern vielmehr selbst Hilfe dabei suchte, ihren stummen Bruder zu finden, der seit letzter Nacht verschwunden war.
»Er
nicht gehen«,
wiederholte sie immer wieder, aber ganz offensichtlich hatte er genau das getan.
»Nein, wir müssen Olin finden, König Olin«, erklärte ihr Pelaya. »Ich werde meinen Vater bitten, dir jemanden zu schicken, der dir deinen Bruder suchen hilft.«
Die junge Xandierin schien so bestürzt, als hätte sie sich gar nicht vorstellen können, dass jemand ihre Bitte zurückweisen würde.
»Genügt es denn noch nicht,
Kuraion?«,
sagte Eril. »Ihr habt mich quer durch die Stadt geschleift, für nichts und wieder nichts, und dabei unser beider Leben aufs Spiel gesetzt. Müssen wir jetzt etwa auch noch nach einem weggelaufenen Kind suchen?«
»Nein, natürlich nicht, aber ...« Bevor Pelaya den Satz beenden konnte, stieß noch jemand zu dem Kreis von Frauen, der sich um das braunhaarige Mädchen und ihre mollige Freundin gebildet hatte. Die neu hinzugekommene Frau war erheblich älter als die anderen, ihr Gesicht offenbar von einer schweren Verbrennung entstellt.
»Oh, der Großen Mutter sei Dank!«, rief die alte Frau den anderen zu und lehnte sich dann, nach Luft schnappend, gegen die Wand.
»Ich ... ich ... hatte schon Angst, ich würde Euch nicht finden.« Sie sah Pelaya verdutzt an. »Junge Herrin. Verzeiht.«
Pelaya nickte knapp, verärgert über die neuerliche Störung. Eril hatte recht — sie mussten zurück zum Landmannsmarkt.
»Was ist denn, Losa?«, fragte das rundgesichtige Mädchen namens Yazi.
»Der Junge, der nicht sprechen kann, der kleine Bruder! Er ist oben im Turm der Zahlmeisterei und sehr ...« Sie fuchtelte mit den Händen und versuchte, das richtige Wort zu finden. »Zornig, traurig, ich weiß nicht. Er will nicht runterkommen.«
»Spatz?« Qinnitan beugte sich vor. »Er nicht ... verletzt?«
»Nein, verletzt nicht, glaube ich«, sagte Losa. »Er versteckt sich einfach nur in dem Turm, dem alten, halbverfallenen bei der Seemauer. Ich glaube, die ... Kanonen? Ich glaube, die Kanonen machen ihm Angst. Er sagt, seine Schwester soll kommen.«
»Wir kommen auch mit«, erklärte Yazi. »Er mag mich.«
»Nein!«, rief Losa. »Er hat große Angst, der Junge. Wär beinah gefallen, als er mich gesehen hat. Ist so hoch droben. Wenn er Leute sieht, die er nicht so gut kennt ...« Sie schüttelte den Kopf, konnte oder wollte nicht die Worte finden, eine so schreckliche Möglichkeit zu beschreiben. »Nur seine Schwester.«
Die dunkelhaarige Wäscherin schien nicht alles zu verstehen, was gesagt wurde, lächelte aber — was die Besorgnis in ihrem Gesicht kaum zu überdecken vermochte — und sagte etwas in ihrer Sprache zu dem Mädchen namens Yazi. Kurz fragte sich Pelaya, ob sie mit ihnen gehen sollte, um zu helfen — immerhin hatte dieses Mädchen Olins Interesse geweckt —, aber dann fielen ihr zu viele gute Gründe ein, sich nicht noch tiefer in die Sache hineinziehen zu lassen.
Nachdem die alte, narbige Frau das braunhaarige Mädchen hinausgeführt hatte, wandte sich Pelaya ebenfalls zum Gehen. »Gut, dass sie ihren Bruder gefunden hat«, sagte sie lächelnd zu den
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