Das Spiel
Unterstützt von den überraschend kräftigen Armen des Drag schaffte er es, die Tür so weit aufzuziehen, dass es wohl reichte, um hindurchzuschlüpfen. Unter anderen Umständen hätte er sich wahrscheinlich für die Symbole und Runen interessiert, die in das schwarze Metall eingegossen und in das dunkle Holz eingeschnitzt waren, aber jetzt war er einfach nur überwältigt von dem Tageslicht, das vor ihm ausgebreitet lag, so kösdich wie ein Festmahl.
Es war natürlich nur mit viel gutem Willen als Tageslicht zu bezeichnen — das graue, sonnenlose Glimmen der Schattenlande —, aber nach seiner Gefangenschaft in der Tiefe fühlte es sich an wie das Gleißen eines Heptamene-Nachmittags.
So viel Licht war zu viel für den Drag, der mit den Händen vorm Gesicht herumwedelte, wie eine Schlange zischte und von der Tür zurücktaumelte. Barrick beachtete ihn nicht weiter, während er sich seitwärts in den Türspalt schob — der Drag hatte schließlich seinen Teil der Abmachung erfüllt —, doch im nächsten Moment taumelte der kleine Mann wieder in sein Blickfeld und brach zu seinen Füßen zusammen. Drei gefiederte Pfeile zitterten im Rücken des Drag, und Blut aus den Wunden durchtränkte bereits sein dreckiges, zerlumptes Hemd. Das kleine Wesen war noch nicht tot, doch nach seinem mühsamen, pfeifenden Atmen zu urteilen, blieb ihm nicht mehr viel Zeit.
»Du gibst ein perfektes Ziel ab in diesem Türspalt«, sagte eine steinerne Stimme mit unheimlichem Widerhall. »Wenn du irgendetwas anderes tust, als langsam wieder hierher zu kommen, dann werden dich meine Wächter erschießen. Du wirst allerdings nicht so schnell sterben wie dein kleiner Freund.«
Barrick wusste, selbst wenn er sich im ersten Versuch durch die Öffnung winden könnte, hätten die unsichtbaren Schützen immer noch genügend Zeit, ihn ungehindert zu treffen. Und selbst wenn er es nach draußen schaffte, hatte er nicht die Kraft, irgendjemandem zu entkommen, schon gar nicht den Pfeilen erfahrener Schützen. Barrick schlüpfte langsam aus dem Türspalt zurück in die Höhle. Da stand, vor einem gemischten Trupp aus affenartigen Wächtern und knöchernen, leise vor sich hinschnatternden Langschädeln, von denen einige Langbogen hielten, der leichenhafte Ueni'ssoh, die Augen glühend wie blaues Feuer.
»Du warst Kituyiks Eigentum«, sagte der graue Mann mit seiner kalten, völlig unmodulierten Stimme, »aber jetzt bist du mein. Wir werden die Torkammer wieder freilegen. Es hat sich nichts geändert bis auf die eine Kleinigkeit, wem die Schätze der Götter gehören werden.«
»Lieber sterbe ich«, erklärte Barrick, drehte sich um und stürzte zur Tür, aber etwas traf ihn wie eine Keule am Bein. Er taumelte und fiel hin, halb in der Höhle, halb draußen, ein Stiefel von einem Pfeil durchbohrt, die Wade ein einziger sengender Schmerz. Obwohl ihm die Pein fast den Atem nahm, fühlte er das kühle, graue Licht der Außenwelt wie Balsam auf seinem Körper, roch die süße Luft. Jetzt erst merkte er, welch übler Gestank ihn so lange umgeben hatte, dieses Gemisch aus Rauch, Blut und Dreck.
Das war also das Ende. Nach allem, was er getan hatte, nach all den Leuten, denen er es hatte recht machen wollen ... aber er hatte ihnen ja gesagt, dass er dazu nicht imstande war, oder etwa nicht? Er hatte ihnen ja erklärt, dass er versagen würde — und wenn er es vielleicht nicht ausdrücklich gesagt hatte, dann hätten sie es trotzdem wissen müssen.
Der graue Mann stand jetzt unmittelbar vor ihm, und die glühenden Augen musterten ihn aufmerksam. Ueni'ssohs Zunge zuckte hervor wie die einer Eidechse und berührte die trockenen Lippen.
»Etwas
ist da ... ja, du hast etwas. Jetzt spüre ich es. Etwas ...
Mächtiges.
Jetzt bekommt alles schon etwas mehr Sinn.«
Barrick knurrte ihn an, schaffte es nicht, Worte zu formen, jedenfalls keine, die etwas besagten. Dann fiel es ihm wieder ein.
Der Spiegel.
Gyirs Spiegel, den Fürstin Yasammez dem Sturmlicht anvertraut hatte! Er war noch in der Hemdtasche, Barrick spürte ihn an seiner Brust. Dieses haarlose, leichenhafte Etwas durfte ihn auf keinen Fall an sich nehmen. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht ...«
»Ruhe.« Der graue Mann streckte eine knochige Hand aus, die ein paar Fingerbreit über Barricks Brust innehielt. Die Langschädel und die haarigen Wächter scharten sich um ihren Herrn und starrten auf Barrick herab wie die Dämonen auf einem Tempelwandbild. »Gib ihn mir.«
Barrick stellte sich wieder
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