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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Meint Ihr, Euer Neffe hätte vielleicht ein paar übrige Kleidungsstücke, die er uns leihen könnte?«, fragte er plötzlich.
    »Kleidungsstücke?« Dan-Mozan zog eine Augenbraue hoch. »Grobe, keine aus feinem Tuch. Geeignet für schwere Arbeit.«
    »Ich verstehe nicht ...«
    »Ich habe den Eindruck, seine Kleidung könnte der Prinzessin passen. Die Ärmel lassen sich aufkrempeln.« Er wandte sich an Briony. »Heute Nachmittag werden wir Eure Wut in nützliche Bahnen lenken.«

    »Aber natürlich werdet Ihr kommen«, sagte Puzzle. »Ich habe Euch eigens angefordert, Matty — ich habe ihnen erklärt, Ihr wärt ein Dichter, ein höchst begabter Poet.«
    Normalerweise wäre die Gelegenheit, seine Gedichte an der Tafel der Herren von Südmark vorzutragen, genau das gewesen, was Matt Kettelsmit in seinem Nachtgebet erfleht hätte (wäre er jemand gewesen, der betete), aber aus irgendeinem Grund war er sich nicht sicher, ob er den Tollys und ihren neuen und alten Freunden am Hof auffallen wollte. Im letzten Tagzehnt schien sich alles verändert zu haben, als ob sich die dunklen Wolken, die derzeit ständig über der Stadt drüben auf dem Festland hingen, auch über die Burg geschoben hätten.
    Vielleicht bin ich ja zu sensibel,
sagte er sich.
Meine Poetennatur. Die Tollys haben doch wohl in einer schlimmen Zeit nur Gutes getan.
Dennoch, er hörte jetzt von den Küchenbediensteten und anderen Dienern, mit denen er sein Quartier auf der Rückseite des Palasts teilte, immer öfter Geschichten, die ihn beunruhigten — Geschichten von Leuten, die verschwanden, und von anderen, die schon für kleinere Fehler böse Schläge bezogen oder gar hingerichtet wurden. Einer der Küchenjungen hatte gesehen, wie einem jungen Pagen von Tollys Oberbefehlshaber Berkan Hud die Finger abgeschlagen worden waren, weil er Wein aus einem Becher verschüttet hatte, und Kettelsmit wusste, dass es stimmte, weil er den armen Jungen selbst mit einem Verband über den blutigen Stümpfen auf seinem Krankenlager gesehen hatte.
    »Ich ... ich weiß nicht, ob ich schon soweit bin, selbst vor ihnen aufzutreten«, erklärte er Puzzle. »Aber ich werde Euch helfen. Vielleicht mit einem neuen Lied?«
    »Oh, wirklich? Etwas, das ich dem Reichshüter widmen könnte ...?« Während Puzzle über dieses Angebot und seine möglichen Früchte nachdachte, bemerkte Kettelsmit eine Bewegung auf der Mauer der Hauptburg, dort, wo sie um den Wolfszahnturm herumführte, nur einen kurzen Pfeilschuss vom Palastgarten, wo er und Puzzle sich getroffen hatten, um sich etwas Kochwein zu teilen, den der Hofnarr aus der Vorratskammer der Bedienstetenküche stibitzt hatte. Im ersten Moment dachte er, es sei ein Geist, ein durchsichtiges Etwas aus dunklen Schwaden, doch dann wurde ihm klar, dass die Frau, die dort oben auf der Mauer wandelte, Schleier und einen Netzschal über dem schwarzen Kleid trug, und er wusste sofort, wer das war.
    »Wir besprechen das später, ja?«, sagte er und gab dem Hofnarren einen so festen Klaps auf den Rücken, dass der alte Mann fast vornüber kippte. »Ich habe etwas zu erledigen.«
    Kettelsmit rannte durch den Garten und witschte zwischen umherwandernden Schafen und Ziegen hindurch wie bei einem Wettspiel auf einem Dorffest. Er wusste, Puzzle starrte ihm nach, als hätte ihn plötzlich der Wahnsinn überfallen, aber wenn das Wahnsinn war, dann war es Wahnsinn der süßesten Art, jene Art Wahnsinn, die ein Mann, wenn er ihn einmal gepackt hatte, nie wieder los werden wollte.
    Bei der Waffenkammer verlangsamte er sein Tempo, wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und zupfte dann Hose und Strumpfhose zurecht. Seltsam: Er schämte sich fast schon ein bisschen, als ob er im Begriff wäre, seine Gönnerin Briony zu verraten. Aber er schüttelte das Gefühl ab. Dass er seine Gedichte nicht vor der gesamten Tolly-Gefolgschaft vortragen wollte, hieß noch lange nicht, dass er gar keine Ambitionen hatte.
    Er ging um den Fuß des Wolfszahnturms herum und nahm die äußere Treppe, damit er, wenn er auf der Mauer war, so tun konnte, als träfen sie sich rein zufällig. Er war froh, als er sah, dass sie nicht weitergegangen war, denn dann hätte er ihr unauffällig hinterherrennen müssen. Sie lehnte an der hohen Brustwehr der Mauer und blickte zwischen zwei Zinnen hindurch auf die Vorburg, umweht von ihren schwarzen Schleiern.
    Als er ihr so nah war, dass sie ihn trotz des pfeifenden Winds hören musste, räusperte er sich. »Oh! Ich bitte

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