Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
aufzufallen schienen.
Nathan atmete tief durch und blieb in der Türöffnung stehen. Woher also …? Klick-Klick-Klick.
Das Geräusch kam aus dem Wandschrank zu Nathans Rechten. Gegen seinen Willen machte er einen Schritt darauf zu, als ein sonderbares Licht an den Rändern seines Blickfeldes auftauchte und er sich blitzschnell darauf einstellte, vor ihm abtauchen zu müssen. Die letzten Tage hatte er damit verbracht, Horrorgestalten in seinem Computer zu vernichten, und ganz offensichtlich hatten diese blutrünstigen Video-Kreaturen sein Unterbewusstsein stärker angeregt als gedacht.
Doch das seltsame Licht war ganz einfach ein verirrter Mondstrahl, der auf eine Fotografie auf der Kommode fiel.
Alles okay, beruhige dich . Er trat näher an das Foto heran und erkannte darauf sofort Professor Felicima Diego Barrera Richards – seine Mom.
Sie war bei seiner Geburt gestorben und zählte daher nicht wirklich als Mom.
Auf dem Foto standen seine Eltern im Außenbereich eines kleinenCafés im Schatten einiger Bäume, die Nathan nicht kannte. Im Hintergrund führte ein Mann einen Esel vorbei, der einen Leiterwagen mit Brennholz zog. Wenn man wusste, wonach man suchte, dann war es ganz einfach, den physischen Einfluss von Seiten der spanischen und der Maya-Vorfahren seiner Mutter zu erkennen; neben seinem Vater wirkte sie sehr klein, war eher dunkelhäutig und hatte schwarzes Haar. Nathan fand, dass sie im Vergleich zu seinem Vater unglaublich jung aussah.
Sein Dad war einundvierzig gewesen, als er seine dreißigjährige Kollegin geheiratet hatte. Auf dem Foto hielten sie sich an den Händen und lächelten, was sein Dad so gut wie nicht mehr tat. Anscheinend hatte seine Mom eine Seite an ihm hervorgelockt, die Nathan gar nicht kannte.
Er hatte sich immer gefragt, was für ein Mensch sie wohl gewesen sein mochte. Anders als seinen Dad stellte er sie sich vor, verständnisvoller und selbstloser. Aber manchmal wollte er auch lieber, dass sie genauso wie sein Dad gewesen war, damit das Gefühl, so viel verloren zu haben, nicht zu stark wurde.
Klick. Klick-Klick-Klick.
Der Anblick des Fotos holte vieles ans Tageslicht, worüber Nathan nicht gern nachdachte, und er war froh, als er seine Aufmerksamkeit jetzt wieder dem Wandschrank zuwenden konnte.
Vorsichtig öffnete er ihn und spähte hinein. Die Anzüge, Hemden und Hosen seines Dads waren dort untergebracht und kaum benutztes Angelgerät und Golfschläger lagen in einer Ecke. Peter Richards benutzte diese Sportgeräte meist nur, wenn er reiche Sponsoren zu Gast hatte, deren Fördergelder er für die Universität ergattern wollte.
Klick-Klick. Klick-Klick.
Das Geräusch kam eindeutig aus einem verschrammten Koffer, der im obersten Schrankfach lag. Bunte Aufkleber aus fremden Ländern bedeckten seine abgewetzte Oberfläche.
Nathan packte den Koffer am Griff, hievte ihn herunter und stellteihn auf den Boden. Er besaß keinen Reißverschluss, sondern war mit Gurten zusammengehalten. Der Geruch von Staub und altem Leder stieg Nathan in die Nase und hätte ihn um ein Haar niesen lassen. Vor lauter Anstrengung, den Nieser zurückzuhalten, stiegen ihm die Tränen in die Augen.
Der Koffer war mit Fotos, Büchern und anderem Kram gefüllt. Nathan nahm eines der Fotos in die Hand und hielt es gegen das sanfte Mondlicht. Es zeigte Professor Felicima Diego Barrera Richards an einem Ort, der wie eine Gruft aussah. Ihr Bauch war groß und rund, und Nathan wurde schlagartig bewusst, dass ja auch er sich auf dem Foto befand. Nur war er da noch nicht geboren.
Auf der Rückseite stand in schöner Handschrift: Palenque, Mexico, 16. April.
Nathan drehte das Foto wieder um und sah es sich genauer an. Nur elf Tage später war er auf die Welt gekommen. Professor Felicima sah auf dem Foto müde, aber glücklich aus.
Warum bist du nur dort gewesen? Ich musste doch nicht ausgerechnet da geboren werden. Und du, du hättest auch nicht sterben müssen.
Die alte Wut kam wieder hoch und überraschte Nathan. Als Kind hatte er oft darüber nachgedacht, ob sein Leben anders verlaufen würde, wenn er eine Mutter hätte. Er drehte das Foto wieder um und sah sich ihr Bild noch einmal an.
Mom. Einen Moment lang dachte er, er hätte das Wort vielleicht laut ausgesprochen. Wie wir uns wohl verstanden hätten, Professor Felicima? Ob du mehr Verständnis für mich gehabt hättest als Dad? Oder hättest auch du mich auf Abstand gehalten? Wie konntest du nur einen Mann lieben, der mehr an Tote und
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