Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
langsamen Bewegungen zog Nathan sich in eine kauernde Position zurück.
Er war sich ziemlich sicher, dass ihm im Traum nichts passieren konnte. Schließlich war er schon von Zombiehorden niedergemacht und von Aliens erschossen worden, war in Träumen, in denen er nicht fliegen konnte, von steilen Klippen gefallen und hatte all das überlebt, weil er natürlich immer irgendwann aufgewacht war.
Dieser Traum hier aber war um vieles interessanter als seine anderen Träume und er wollte gar nicht wach werden, bevor er nicht noch etwas weitergeträumt hatte.
»Willkommen, Nathan.«
Die Stimme, die das sagte, war eine Nathan unbekannte Männerstimme. Eine angenehme Baritonstimme, eine, die gern lachte. Die sofort Vertrauen weckte – wie die von einem Athleten, der nach einem großen Sieg mit einem Sportreporter spricht.
»Wer sind Sie?« Nathan wich noch einen Schritt zurück.
Die Jaguare bewegten sich unruhig. Noch weitere erhoben sich auf ihren Ästen.
»Ich bin ein Freund. Ich fand es an der Zeit, dass wir uns kennenlernen. Wir haben viel gemeinsam.«
Merkwürdig. Obwohl seine Träume im Allgemeinen sehr detailreich waren, sprachen die Menschen in ihnen normalerweise nur über Dinge, die Nathan sofort wissen musste. Dass sich die Zombies beispielsweise näherten. Oder wo die verwundbarste Stelle im Verteidigungssystem der Aliens war. Solche Sachen eben, notwendige Informationen.
Alltagskommunikation? Eher weniger.
»Ich habe aber keine Dschungelfreunde.« Nathan sah sich nach einem Fluchtweg um. »Ich steh ja nicht mal auf Tarzan.« Und es sieht ganz so aus, als hätte ich auch keine Freunde in der Familie der Raubkatzen.
»Das hier ist kein Dschungel. Es ist ein Wald.«
»Egal. Das ist mein Traum.«
»Tatsächlich? Was träumst du denn?«
»Irgendwelches Zeug.«
Der Mann lachte. »Es wäre gut, wenn wir uns unterhalten könnten.«
»Worüber denn?«
»Na, über irgendwelches Zeug.« Der Mann kicherte über seinen eigenen Scherz.
»Sehr witzig.«
»Ich würde mich gern Auge in Auge mit dir unterhalten.«
Nathan musste sich eingestehen, dass er so jemanden wie diesen Mann gern kennenlernen würde. Normale Leute würden sich doch nie in einem Wald rumtreiben, in dem es von wilden Jaguaren und anderen Bestien wimmelte, die in den grünen Schatten lauerten.
»Sie wissen ja, wo Sie mich finden.« Nathan versuchte, die Richtung zu orten, aus der die Stimme kam.
»Hast du Angst, dass die Raubkatzen sich deine Zunge schnappen könnten?«
Trotz der Bedrohlichkeit, mit der die Jaguare vor ihm auf und ab schritten, musste Nathan lächeln.
»Na klar, und meine anderen Körperteile auch. Sind das hier Ihre Haustiere?«
»Nein. Ich kann ihnen sagen, dass sie auf Abstand gehen sollen, wenn du Angst hast. Ich dachte aber, du würdest über diesem eher minimalen Problem stehen. Es sei denn, dir gefällt die Vorstellung, Kauspielzeug für sie zu sein.« Der Mann lachte.
»Na toll.« Obwohl Nathan sich durchaus fürchtete, wusste er, dass er sich in seinem Traum sicher fühlen konnte. Seine kämpferische Natur brach durch und wollte sich der Herausforderung stellen. Er drehte sichin die Richtung, aus der die imposante Stimme kam und wusste, dass er, sollte all dies wirklich nur ein Traum sein, einen Machtvorteil hatte, den der Mann nicht einschätzen konnte.
In diesem Augenblick setzten die Jaguare zum Sprung an. Ihr Knurren und Fauchen übertönte das Vogelgezwitscher. Das durch das Blattwerk schimmernde Sonnenlicht ließ die Krallen der Raubkatzen wie ein Feuer aus Ebenholz aufblitzen.
3
N athan stieß sich mit aller Kraft vom Boden ab und schwang sich dem Himmel entgegen. Im Wachzustand wäre er auf diese Weise nicht sehr weit gekommen, aber im Traum konnte er fliegen. Im gleichen Moment, in dem die Jaguare an der Stelle landeten, an der er gerade noch gestanden hatte, stieg er nach oben auf. Die Jaguare fauchten vor Enttäuschung, doch einige von ihnen waren schnell genug, um sich herumzuwerfen und nach ihm zu springen. Einer erwischte ihn am Turnschuh, aber seine Klaue rutschte ab.
Die Äste der Baumkronen schlugen Nathan entgegen, zerrten an ihm und hinterließen brennende Striemen auf seinem Gesicht.
Die aufgeschreckten Vögel flogen ihm nach und drehten sich in einem rasenden Wirbelsturm leuchtend bunter Federn im Kreis. Als Nathan durch die Bäume in den blauen Himmel brach, entfernten sich die Vögel und schwebten, einem regenbogenfarbenen Schleier gleich, über den Baumwipfeln.
Glückselig,
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