Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
Antikes denkt als an dich?
Während er sie ansah, kam ihm unwillkürlich in den Sinn, ob ihr Leben mit seinem Dad genauso einsam gewesen war wie seines. Vielleicht hatte sie sich ja auch daran gewöhnt – so wie er. Oder sie war genauso einsam gewesen wie sein Dad.
Dass Nathan über diese Dinge nichts wusste, ließ ihm keine Ruhe.
Vergiss es einfach. Darüber nachzudenken, ist reine Zeitverschwendung.
Nathan wandte sich wieder dem Koffer zu. Er nahm die Bücher heraus und stapelte sie auf der Seite; dabei fielen ihm nur flüchtig einzelne Titel auf, in denen die Maya und Palenque vorkamen. Das Einzige, das ihn wirklich interessierte, war ein schlichtes braunes Buch, das eigentlich wie eine Zeitschrift aussah.
Ganz unten im Koffer fand Nathan ein aus tiefblauem Stein gehauenes Kästchen. Es war massiv und schwer und fühlte sich geschmeidig, wie poliert, an.
Jemand hatte drei Bilder in die Oberfläche des Kästchens gemeißelt. Auf zwei Seiten lagen sich je eine feurige Sonne und eine Mondsichel diametral gegenüber. Und in der Mitte des Kästchens ringelte sich eine gefiederte Schlange um sich selbst.
Klick-Klick.
Nathan war sich völlig sicher, dass das Geräusch aus dem Inneren des steinernen Kästchens kam, so abgefahren das auch klingen mochte. Er nahm das Kästchen in die Hand und wollte es öffnen. Es schien fugenlos zu sein, aber er wusste, dass es irgendeinen Trick geben musste.
Dummerweise war das Rätsel aber nicht so leicht zu lösen. Das Kästchen widersetzte sich allem Ziehen und Zerren, was Nathan zunehmend frustrierte. Er versuchte, die obere Hälfte des Kästchens zu drehen, aber des Rätsels Lösung – wenn es denn eine gab – blieb ihm verborgen. Dann hörte er seinen Vater in dessen Arbeitszimmer umhergehen, ein Geräusch, das Nathan vertraut war. Sein Dad war mit seiner Arbeit fertig und räumte noch auf, bevor er ins Bett ging.
Fieberhaft stopfte Nathan alles zurück in den Koffer, mit Ausnahme des Kästchens und der Zeitschrift. Auch das Foto von Professor Felicima nahm er mit; er wollte es behalten, jetzt, wo er endlich ein gemeinsames Foto seiner Eltern gefunden hatte.
Er streifte auch die Riemen wieder über den Koffer und hievte ihn zurück in sein Fach im Schrank. Als Nathan draußen auf dem Gang die Schritte seines Vaters hörte, wusste er, dass er das Zimmer nichtwieder auf dem gleichen Weg verlassen konnte, auf dem er gekommen war. Stattdessen rannte er zum Fenster, das einige Zentimeter weit geöffnet war, so wie er es erwartet hatte. Er schob es ganz nach oben und kletterte über den Fenstersims. Dann zog er es von außen wieder herunter und rannte im gleichen Moment davon, in dem sein Vater das Zimmer betrat. Der Garten lag groß und dunkel im Schatten der Eichen und des hohen Zaunes, der den Garten begrenzte. Nathan ging um die Hausecke herum und blieb unter seinem Fenster stehen. Sein Zimmer war noch immer dunkel, was bedeutete, niemand hatte sein Verschwinden bemerkt.
Als er sein T-Shirt auszog, spürte er sogleich die schneidend kalte Nachtluft. Er verknotete Ärmel und unteren Teil des T-Shirts zu einer provisorischen Schlinge, stopfte das Kästchen, die Zeitschrift und das Foto hinein, zog sich die Schlinge über die Schulter, packte die Regenrinne und kletterte die Hauswand hoch.
Die Rinne ächzte ein wenig und fühlte sich wackelig an, aber sie hielt. Er gelangte mühelos zurück in sein Zimmer, da er, genauso wie sein Dad, immer sein Fenster offen ließ. Dort leerte er die Schlinge, zog das T-Shirt an und konzentrierte sich wieder auf das merkwürdige steinerne Kästchen.
2
Z wanzig Minuten später und kurz davor, die Sache aufzugeben, entdeckte Nathan das Geheimnis des Kästchens. Er hatte das dumme Ding auf zig verschiedene Arten gezogen, gezerrt, gedreht, geschoben – immer ohne Erfolg.
Irgendetwas – genau genommen mehr als nur ein Gegenstand – klickte und klackte darin ganz leise. Der einzige Unterschied zu vorher war, dass jetzt Nathan selbst den Klickton verursachte. Die Vorstellung, dass sich etwas Lebendiges in dem Kästchen verbarg, heizte seine Fantasie an, aber es machte ihn fix und fertig, nicht zu wissen, was es war.
Fast wäre er schon so weit gewesen, das Fenster zu öffnen und das Kästchen ganz nach hinten in den Garten zu befördern, als ihm einfiel, er könnte auch mal auf Sonne und Mondsichel drücken. Doch selbst dafür brauchte er einen ganz bestimmten Code. Schließlich fand er nämlich heraus, dass sich das Kästchen öffnen
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