Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
das Rauschen des Flusses gehört, ehe er ihn sah.
Ein anderer Bär packte Nathan am Bein, aber jetzt konnte er das Rattern der Hochbahn auf den Gleisen hören. Er schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf das Geräusch, als noch ein zweiter Bär nach ihm ausholte und seine Mutter vor Schmerz aufschrie. Das Klappern wurde lauter, immer lauter, und Nathan, seine Mutter fest umklammernd, flog direkt darauf zu.
22
N athan öffnete die Augen und fand sich auf den Schienen der Hochbahn wieder, von denen man auf The Loop hinunterblicken konnte. Aber das Stadtzentrum sah nicht so aus wie sonst. Die Gebäude wirkten verändert und zwischen ihnen war jede Menge freier Raum. Durch die Straßen fuhren weder Autos, noch waren sie wiederzuerkennen. Da der Mondschein die einzige Lichtquelle und die Gebäude nicht hell erleuchtet waren wie sonst, wirkte die Stadt dunkel.
Der Wind warf Nathan hin und her und die Hand seiner Mutter spürte er jetzt so gut wie gar nicht mehr. Erschrocken blickte er sie von der Seite an und sah, dass sie fast nicht mehr sichtbar war, sie wirkte beinahe wie ein Nebelschleier.
Chicago. Seine Mom sah auf die Straßen unter ihnen.
»Das ist doch nicht Chicago.« Nathan ließ ihre Hand los und drehte sich einmal im Kreis, um einen Blick in die Runde werfen zu können. »Nicht das Chicago, das ich kenne jedenfalls. Es fahren keine Autos, nirgendwo brennen Lichter und ich sehe auch kaum Menschen.«
Du hast recht. Aber diese Frequenz befindet sich ganz in der Nähe der deinen.
»Dann bist du also fast wieder ein Geist?« fragte Nathan mit einem Anflug von Traurigkeit in der Stimme.
Ja, aber das ist gut so, Nathan. Seine Mom lächelte ihm zu. Es ist sogar sehr gut. Der Übergang ist dieses Mal viel einfacher und schneller gewesen. Und wir haben ihn gemeinsam überstanden.
»Ja, ungefähr eine halbe Sekunde, bevor uns die Bären auffuttern konnten.«
Das hier ist tatsächlich Chicago, nur ein paar Frequenzen von der eigentlichen Stadt entfernt.
»Und wie ist das möglich?«
Städte sind für den Menschen nun mal wichtig, Nathan. Sie mögen in anderen Frequenzen zwar anders aussehen – kleiner, weniger industrialisiert oder auch größer – aber sie existieren fast immer in mehreren Frequenzen. Verschwinden tun sie erst an den von der Heimatfrequenz am weitesten entfernten Grenzen.
Nathan fiel es schwer, sich eine leere Welt vorzustellen. »Und da draußen existiert dann gar nichts mehr?«
Nur die wesentlichen Dinge. Dinge, die von Wert sind.
»Materielle Dinge?«
Nicht unbedingt, obwohl es die auch manchmal gibt.
Nathan ging ein paar Schritte die Bahngleise entlang. Immer schon hatte er sich vorgestellt, wie das wohl sein musste. Wieder traf ihn eine Windböe und hätte ihn um ein Haar umgerissen.
Seine Mutter sah es und sagte: Pass besser auf, Nathan.
Lächelnd schnellte er etwa einen Meter in die Höhe. »Kein Problem. Ich bin der geborene Flieger, du erinnerst dich?«
Angeber, sagte sie ganz ohne Ärger in der Stimme.
Nathan ließ sich wieder auf die Gleise sinken. »Sind die Leute, die dort leben, auch Verlorene Seelen?«
Einige. Aber manche sind dort auch geboren.
»Können sie in andere Frequenzen überwechseln?«
Normalerweise nicht.
Nathan konnte nur verschwommen erkennen, wie seine Mom sich auf die Kante einer Schiene setzte und ihre Beine an einer Seite herunterbaumeln ließ. Die Vorschriften, die in den Frequenzen gültig sind, scheinen zu verhindern, dass sich die Einheimischen einer Frequenz in eine andere hinüberbewegen können, doch da wird sich manches ändern. Wenn es schlecht läuft, weiß ich wirklich nicht, was noch geschehen wird.
»Du meinst, wenn ich das Spiel nicht richtig lerne.«
Ja, es geht hier hauptsächlich um dich. Nathan, es ist die wichtigste Angelegenheit, mit der du in deinem Leben je zu tun haben wirst. Du darfst dich jetzt nicht einfach treiben lassen. Du musst das, was du tust, auch wirklich ernst nehmen. Sie machte eine Pause. Und am besten fängst du damit an, indem du den Verlorenen Seelen in deiner eigenen Heimatfrequenz hilfst.
» Officer John Montoya?«
Es gibt einen Grund, weshalb er dich aufgesucht hat, obwohl ich ihn nicht kenne. Er ist über das Spiel mit dir verbunden.
Nathan setzte sich neben seine Mutter. »Okay. Was soll ich also tun?«
Du musst üben, die Frequenzen zu erkennen und zwischen ihnen hin- und herzupendeln. Je mehr Übung du bekommst, umso mehr wird sich auch deine Fähigkeit entwickeln, anderen zu
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