Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens
und was sein würde, verband. Nein, die Augen starrten immer noch, die Augen blinzelten, weil eine alte Erinnerung ihnen sagte, dass es notwendig war zu blinzeln. Die Lippen bewegten sich, nahmen den Faden unterbrochener Gespräche wieder auf, erzählten Witze, tratschten über Eltern, doch kein einziges Wort konnte sich bilden.
Aber Hysterie war ein verworrener Ort, an dem ein junger Geist sich wiederfinden mochte. Er konnte betäubend laut sein, voller Geschrei und Gekreische und Ausbrüchen von Entsetzen wieder und wieder - eine endlose Woge. Oder aber er konnte still sein - still auf die entsetzliche Weise mancher Arten von Stille - wie die weit offenstehenden Münder, die verzweifelt nach Luft rangen und es doch nicht schafften, sie einzuatmen, während die Augen über diesen Mündern hervorquollen und die Adern deutlich hervortraten; aber es würde kein Atemzug kommen, nichts, was Leben in die Lunge tragen würde. Dies war die Hysterie des Ertrinkens. Des Ertrinkens in sich selbst, im inneren Entsetzen. Die Hysterie eines Kindes mit leeren Augen und einem sabberverschmierten Kinn.
Manche Geheimnisse ließen sich unmöglich bewahren. Die Wahrheit über das schwarze Schiff, beispielsweise. Die Linienführung der Silanda war bekannt, zutiefst vertraut. Das Schiff, das ihre Eltern auf eine bedauernswerte Reise mitgenommen hatte, auf die Suche nach dem Einen, den alle Tiste Andii auf Drift Avaiii Vater nannten. Anomander Rake. Anomander mit den silbernen Haaren und den Drachenaugen. Sie hatten ihn nicht gefunden, leider. Hatten nie die Möglichkeit bekommen, ihn um Hilfe zu bitten, ihm all jene Fragen zu stellen, die gestellt werden mussten, oder anklagend, verurteilend, verdammend mit dem Finger auf ihn zu deuten. Alles das, ja, ja.
Legt euch in die Riemen, tapfere Eltern, es gilt noch mehr Meer zu durchqueren. Könnt ihr das Ufer sehen? Natürlich nicht. Ihr seht das Sonnenlicht, wenn das Sonnenlicht durch das Segeltuchgewebe scheint, und in euren Köpfen spürt ihr, wie eure Körper schmerzen, wie eure Schultern beansprucht werden, wenn ihr bei jedem Durchziehen der Riemen die Muskeln anspannt und loslasst, anspannt und loslasst. Ihr spürt das Blut aufwallen und sich im Hals ansammeln, als wäre er ein güldner Becher - nur, um dann wieder nach unten zu sacken. Rudert, verdammt! Rudert zur Küste!
Ja, zur Küste. Zur anderen Seite dieses Ozeans, und dieser Ozean ist endlos, teure Eltern.
Deshalb - rudert! Rudert!
Er hätte beinahe gekichert, aber es wäre gefährlich gewesen, die Stille dieser Hysterie zu brechen, an der er so lange festgehalten hatte, dass sie sich mittlerweile warm wie eine mütterliche Umarmung anfühlte.
Am besten, er machte einfach weiter, arbeitete daran, alle Gedanken an die Silanda wegzuschieben, wegzuschließen. An Land - in dieser Schenke, in diesem Raum - war das leichter.
Aber morgen würden sie segeln. Wieder. Hinauf auf die Schiffe, oh, wie die Gischt und der Wind belebten!
Und das war der Grund, warum Nimander in dieser scheußlichen Nacht voller rachsüchtigem Regen wach lag. Denn er kannte Phaed. Und er wusste auch, wie Phaeds persönliche Hysterie aussah - und wozu sie sie verleiten mochte. Heute Nacht, in der durchnässten Asche zur Zeit der Mitternachtsglocke.
Sie konnte sehr leise gehen, als sie aus dem Bett kroch und barfuß zur Tür tappte. Gesegnete Schwester, gesegnete Tochter, gesegnete Mutter, gesegnete Tante, Nichte, Großmutter - gesegnete Verwandte, Blut von meinem Blut, Spucke von meiner Spucke, Galle von meiner Galle. Ich höre dich.
Denn ich kenne deinen Geist, Phaed. Die immer wieder aufwogenden Ausbrüche in deiner Seele - ja, ich sehe deine gefletschten Zähne, dein schmieriges, gespanntes Grinsen. Du hältst dich für unbeobachtet, ungesehen, und daher enthüllst du dein ungeschminktes Selbst. Genau da, in dem gesegneten grauweißen Schlitz, dem das Schimmern des Messers in deiner Hand ein so poetisches Echo gewährt.
Zur Tür, Phaed, mein Liebling. Heb den Riegel, und raus geht’s, den Korridor entlang - immer schön weiterschleichen -, während der Regen auf das Dach peitscht und Wasser in dreckigen Tränen an den Wanden herabrinnt. Es ist so kalt, dass du deinen Atem sehen kannst, Phaed, was dich nicht einfach nur daran erinnert, dass du lebendig, sondern auch daran, dass du sexuell erwacht bist; dass diese Reise der süßeste Genuss verdeckter Geheimnisse ist, die Finger immer spielerisch am Messer, und auf dem schwankenden Schiff im Hafen
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