Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens
Fiedler. »Dann waren sie also Sklaven, Urb?«
»In jeder Hinsicht - bis auf den Namen«, antwortete der große Mann und kratzte sich den Bart, von dem ein abgetrennter, grau und schwarz verfärbter Finger baumelte. »Unter den Köpfen all dieser Edur ist der Kopf des hiesigen Repräsentanten, irgendein reicher Dreckskerl in Seidengewändern. Wir haben ihn vor den Augen der Schuldner getötet und dabei ihre Jubelschreie gehört. Und dann haben sie dem armen Narren den Kopf abgeschlagen - als Geschenk, weil wir doch die ganzen Edur-Köpfe mitgebracht haben. Und dann haben sie alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war, und haben sich davongemacht.«
Bei diesen Worten waren Geslers Brauen langsam in die Höhe gewandert. »Dann habt ihr das geschafft, was der Rest von uns nicht geschafft hat - ihr seid als verdammte Befreier in dieses Dorf gekommen.«
Hellian schnaubte. »Wir haben das schon vor Wochen ausgetüffelt. Die Ledderii-Soldat’n sin unwichtig, weil das alles richtige Soldat’n sin, dies toll finden, wenn’s gut läuft, und deshalb macht’s kein’ Unnerschied, ob man sie oder die Edur umbringt. Nein, man geht in die Weiler und Dörfer und tötet alle ‘Fissiellen …«
»Die was?«, fragte Gesler.
»Die Offiziellen«, sagte Urb. »Wir töten die Offiziellen, Gesler. Und alle Leute, die Geld haben. Und die Anwälte.«
»Die was?«
»Rechtsleute. Oh, und die Geldverleiher und Schuldscheinbesitzer, und die Registratoren und Abgaben-Schätzer. Wir töten sie alle …«
»Zusammen mit den Soldat’n«, fügte Hellian nickend hinzu - und dann nickte sie weiter, weil sie aus irgendwelchen Gründen nicht damit aufhören konnte. Sie nickte immer noch, als sie sagte: »Und was dann passiert, is’ einfach. Plünderungen, jede Menge Sex, und dann trollen sich alle, und wir schlafen in weichen Betten und trinken und essen in der Schenke, und wenn die Wirtsleute noch da sind, zahlen wir nett und ehrlich für alles …«
»Wirtsleute wie die, die sich da in der Küche verstecken?«
Hellian blinzelte. »Verstecken? Oh, vielleicht sind wir ein bisschen wild gewesen …«
»Es sind die Köpfe«, sagte Urb, zuckte dabei verlegen die Schultern. »Ich glaube, wir geraten außer Kontrolle, Gesler. Leben im Wald wie die Tiere und all so was …«
»Wie die Tiere«, stimmte Hellian zu. Sie nickte immer noch. »In weichen Betten und mit jeder Menge zu essen und zu trinken, und es is’ ja nich so, dass wir diese Köpfe an unseren Gürteln tragen oder so was. Wir lassen sie nur in den Schenken. In jedem Dorf, stimmt’s? Nur, damit sie wissen, dass wir da waren.« Hellian, die sich plötzlich unerklärlich schwindlig fühlte, setzte sich wieder hin, griff dann nach dem Bierkrug auf dem Tisch - sie musste Balgrids Finger vom Henkel lösen und mit ihm ringen, als wäre es sein Krug oder so, der Idiot. Sie trank einen Schluck und lehnte sich zurück - nur saß sie auf einem Hocker, so dass es keine Lehne gab, und jetzt starrte sie zur Decke hoch und das, was auch immer durch ihr zerfetztes Hemd sickerte, machte in ihrem Rücken alles matschig, und Gesichter starrten auf sie herunter. Sie starrte düster den Krug an, den sie immer noch in der Hand hielt. »Hab ich was verschüttet? Hab ich? Hab ich was verschüttet, verdammt?«
»Nicht einen Tropfen«, sagte Fiedler und schüttelte erstaunt den Kopf. Diese verdammte Sergeant Hellian, die Urbs Bericht zufolge den halben Kontinent in einem Nebel der Trunkenheit von der Küste bis hierher durchquert hatte - diese Frau mit den sanften Gesichtszügen, sanft an der Grenze zur Zügellosigkeit, mit den leuchtenden, immer feuchten Lippen -, diese Hellian hatte Erfolg gehabt, wo jeder andere Trupp - so weit Fiedler es wusste - elendig gescheitert war. Und da Urb eisern darauf beharrte, wer wen angeführt hatte, war es wohl tatsächlich sie gewesen. Diese betrunkene, wilde Seesoldatin.
Sie haben in jeder Schenke abgeschlagene Köpfe zurückgelassen, um des Vermummten willen1.
Aber sie hatte die einfachen Leute befreit, all die Leibeigenen und Sklaven und Schuldner, und hatte zugesehen, wie sie freudig und frei davongetanzt waren. Unsere betrunkene Befreierin, unsere blutdürstige Göttin - was im Namen des Vermummten denken all die Leute eigentlich, wenn sie sie zum ersten Mal sehen? Endlose Gerüchte über eine schreckliche, fremde Armee. Soldaten und Edur sterben in Hinterhalten, und auf den Straßen und Pfaden herrscht Chaos. Und dann taucht sie auf, schleppt
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