Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens
zog die dünnen Brauen hoch. »Es überrascht mich, dass du überhaupt irgendetwas riechen kannst, Taralack Veed.«
»Ich habe in der Wildnis gelebt, Cabalhii. Ich kann den Sporen einer Antilope folgen, die einen Tag alt sind. Diese Stadt bricht zusammen. Die Tiste Edur sind fort. Und auf einmal überlegt der Imperator es sich anders und schlachtet alle Herausforderer ab, bis nur noch zwei übrig sind. Und kümmert das überhaupt noch irgendjemanden?« Er stand plötzlich auf und ging zu dem Bett, auf dem seine Waffen lagen. Zog seinen Krummsäbel aus der Scheide und spähte einmal mehr an der Schneide entlang.
»Du könntest dir mit dem Schwert inzwischen die Wimpern stutzen.«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte Taralack verwirrt.
»War nur ein Vorschlag, Gral.«
»Ich war ein Diener der Namenlosen.«
»Ich weiß«, antwortete der Rangälteste Beurteiler.
Taralack drehte sich um, musterte den sanften kleinen Mann mit dem bemalten Gesicht. »Tust du das tatsächlich?«
»Die Namenlosen sind in meinem Heimatland bekannt. Weißt du, warum sie so genannt werden? Ich werde es dir sagen, da ich sehe, dass du es nicht weißt. Die Eingeweihten müssen ihren Namen aufgeben, weil sie überzeugt davon sind, dass die Kenntnis des eigenen Namens diesem zu viel Macht verleiht. Der Name wird zur Identität, zum Gesicht, zum Selbst. Nimm den Namen weg, und die Macht kehrt zurück.«
»So etwas haben sie von mir nicht verlangt.«
»Weil du kaum mehr als ein Werkzeug bist, nicht anders als das Schwert in deiner Hand. Unnötig zu erwähnen, dass die Namenlosen ihren Werkzeugen keine Namen geben. Und in sehr kurzer Zeit wirst du deine Nützlichkeit überdauert haben …«
»Und ich werde wieder frei sein. Um nach Hause zurückzukehren.«
»Nach Hause«, sinnierte der Rangälteste Beurteiler. »Zu deinem Stamm, um dort all die Schandtaten wiedergutzumachen, um all die Wunden zu heilen, die du in deiner eifrigen Jugend geschlagen hast. Du wirst mit schrumpeligen Augen zu ihnen kommen, mit einem langsamer schlagenden Herzen und einer sanften Hand. Und eines Nachts, wenn du schlafend unter deinen Fellen in der Hütte liegst, in der du geboren wurdest, wird sich jemand hereinschleichen und dir eine Klinge über die Kehle ziehen. Denn die Welt in deinem Geist ist nicht die Welt da draußen. Du wirst Taralack Veed genannt, und sie haben sich Macht von deinem Namen genommen. Von deinem Namen, deinem Gesicht. Deinem Namen, deinem Gesicht und damit auch deiner ganzen Geschichte, und so wirst du durch deine eigene Macht - die du vor langer, langer Zeit freiwillig weggeben hast - getötet werden.«
Taralack Veed starrte ihn an. Der Krummsäbel in seinen Händen zitterte. »Dies ist also der Grund, warum du nur als Rangältester Beurteiler bekannt bist.«
Der Cabalhii zuckte die Schultern. »Die Namenlosen sind im Grunde genommen Narren. Der entsprechende Beweis lässt sich schon an der Tatsache erkennen, dass ihr hier seid - du und dein Gefährte, der Jhag. Dennoch teilen wir ein Verständnis für bestimmte Dinge, was nicht sonderlich überraschend ist, da wir beide der gleichen Kultur entstammen. Dem Ersten Imperium von Dessimbelackis.«
»Im Reich der Sieben Städte gibt es einen weit verbreiteten Witz«, sagte der Gral höhnisch grinsend. »Eines Tages wird die Sonne sterben, und eines Tages wird es auf den Cabal-Inseln keinen Bürgerkrieg mehr geben.«
»Der Friede hat zu guter Letzt gewonnen«, antwortete der Rangälteste Beurteiler und faltete die Hände im Schoß.
»Und warum will ich dich dann in letzter Zeit jedes Mal, wenn ich mit dir spreche, am liebsten erdrosseln?«
Der Cabalhii seufzte. »Vielleicht bin ich schon zu lange von zu Hause weg.«
Taralack Veed verzog das Gesicht und rammte den Krummsäbel zurück in seine Scheide.
Im Korridor draußen öffnete sich mit einem dumpfen Knall eine Tür, und die beiden Männer im Zimmer erstarrten. Sie wechselten einen Blick.
Leise Schritte, die an ihrer Tür vorbeigingen.
Fluchend begann Taralack Veed, seine Waffen anzulegen. Der Rangälteste Beurteiler erhob sich, rückte sein Gewand zurecht, ehe er zur Tür ging und sie gerade weit genug öffnete, um nach draußen spähen zu können. Dann zog er sich geduckt wieder zurück. »Er ist unterwegs«, flüsterte er.
Nickend trat Taralack zu dem Mönch, der die Tür ein zweites Mal öffnete. Im gleichen Moment, da sie hinaus auf den Korridor traten, hörten sie die Geräusche eines kurzen Handgemenges, dann ein Ächzen,
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