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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Knochen und das Selbst, dass die überraschende Erkenntnis – wenn sie denn kam – wie das Aufschließen einer Tür war, von der man einst geglaubt hatte, dass sie für immer versiegelt sei.
    Sie weinte, und sie weinte viel, und jedes Mal war es ein bisschen leichter, ein bisschen natürlicher, ein bisschen tröstlicher und hinnehmbarer, wirklich nicht anders als das sanfte Streichen seiner Finger über ihre kurzen Haare, die Art und Weise, wie die Fingerspitzen über ihre Wange strichen, um ihr die Tränen wegzuwischen – und oh, wer könnte denn von alledem überrascht sein?
    Dann jetzt also zur Gegenwart, in der der verschwommene, inzwischen aufgegangene Mond auf drei Dutzend Gestalten hinunterblinzelt, die sich auf einem Dach sammeln. Die Handzeichen austauschen und Anweisungen und Ratschläge murmeln. Ihre Waffen überprüfen. Drei Dutzend, denn die Zielobjekte sind widerstandsfähig, gemeine Veteranen mit fremden Sitten. Und der Anschlag, der bevorsteht, nun ja, er würde brutal, grob und zweifellos umfassend sein.
    In K’ruls Kneipe waren wie üblich die anwesend, die fast immer anwesend waren, ein Dutzend Leute oder so, die beschlossen hatten, sich nichts daraus zu machen, dass diese Kneipe einmal ein Tempel gewesen war – diese Bruchsteinmauern, an denen Rauch seine unübersehbaren Spuren hinterlassen hatte und die als stummer Aufbewahrungsort für Generationen um Generationen menschlicher Stimmen dienten, angefangen von leiernden Gesängen und Choralmusik bis hin zu trunkenem Gelächter und dem Kreischen gekniffener Frauen, diese Wände also, diese dicken, soliden Wände, die auch im Angesicht eines Dramas immer an ihrer Gleichgültigkeit festhielten.
    Leben manifestieren sich, Leben sondern Stücke aus, die durch Stein und Holz, Fliesen und Dachsparren eingerahmt sind – und alle diese empfindungslosen Formen haben in ihrer Zeit Blut geschmeckt.
    Der große Hauptschankraum mit seiner niedrigen Decke und dem tiefliegenden Fußboden war einst ein Querschiff oder vielleicht auch ein Versammlungsort gewesen. Der schmale Korridor zwischen eingefügten Säulen am hinteren Ende war einst eine Kolonnade gewesen, in deren Nischen vor langer Zeit Begräbnisurnen mit den verkohlten, zu Asche gewordenen Überresten von Hohepriestern und Hohepriesterinnen gestanden hatten. Die Küche und die drei Lagerräume dahinter hatten einst Mönche und die zugelassenen Klingenschwinger, Schreiber und Akolythen mit all dem versorgt, was sie für ihren Lebensunterhalt brauchten. Jetzt ernährten sie die Stammgäste, die Belegschaft und die Eigentümer.
    Ging man die steilen, ausgetretenen Steinstufen zum oberen Stockwerk hinauf, kam man auf einen Absatz, von dem auf drei Seiten Durchgänge mit sehr schrägen Decken abgingen, währen die vierte von der Vorderseite des Gebäudes gebildet wurde. Jeder dieser Durchgänge führte zu acht zellenähnlichen Räumen; die auf der Rückseite ragten (unterstützt von den Säulen der Kolonnade des Hauptgeschosses) nach innen, in den Schankraum hinein, während die, die man mittels der Durchgänge links und rechts des Absatzes erreichte, an den Außenwänden des Gebäudes lagen (und daher Fenster hatten).
    Bei den Zellen, die auf den Schankraum hinausgingen, waren die Innenwände herausgerissen worden, so dass aus den ursprünglichen acht Räumen drei geworden waren, in denen sich die Büros befanden. Die nach innen blickenden Fenster verfügten jetzt über Läden – aber nicht über Glas oder Haut –, und Tippa hatte die Angewohnheit, sie weit aufzureißen, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß, was ihr einen freien Blick auf das vordere Drittel des Schankraums mitsamt dem Eingang verschaffte.
    In dieser Nacht hielten sich nur wenig Gäste in den Zimmern des Gasthauses auf. Barathol und Chaur waren noch nicht zurückgekehrt. Duiker war von Scillara ins Daruviertel mitgenommen worden. Der Barde saß auf dem niedrigen Podium im Schankraum und klimperte eine dünne, verzagte Melodie, der nur wenige der vielleicht zwanzig Stammgäste mit auch nur annähernd so etwas wie Aufmerksamkeit lauschten. Ein Fremder aus Fahl hatte ein Eckzimmer in der Nordostecke genommen und sich nach einer kümmerlichen Mahlzeit und einem einzigen Krug Gredfallanbier zurückgezogen.
    Tippa konnte Blend an ihrem Platz neben der Vordertür sehen, in Schatten versunken, während sie mit ausgestreckten Beinen dasaß und einen Becher heißen Apfelwein umklammerte – diese Frau hatte schon einen bizarren Geschmack, denn

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